Präsident des BVN zu den Konsequenzen aus der Bundestagswahl: „Wir brauchen ein Bauministerium mit realer Ausrichtung“

Christian Staub ist seit Mai 2016 Präsident des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen (BVN). Der Osnabrücker Unternehmer beschäftigt 110 Mitarbeiter in zwei Unternehmen. In diesem Interview spricht er über seine Wünsche an eine neue Bundesregierung.

Christian Staub, Präsident des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen

Von vielen wird die Bundestagswahl und das gute Abschneiden der AfD als Protestwahl gewertet. Wegen der ungeordneten Zuwanderung?

Es besteht aus meiner Sicht vor allem auch die Sorge vor der schnell voranschreitenden Globalisierung - neben der Asylpolitik der Regierung. Unabhängig davon brauchen wir für die Bauwirtschaft schon aus demografischen Gründen Zuwanderung, aber eben geordnet. Deshalb halte ich ein Einwanderungsgesetz für erforderlich, das jenseits von Asyl Kriterien definiert, wer eingeladen ist, zu uns zu kommen und wer nicht. Ich habe große Sympathien für das kanadische Punktesystem. Um zu Ordnung auf dem Bauarbeitsmarkt zu kommen und den grauen sowie schwarzen Arbeitsmarkt zurückzudrängen, plädieren wir darüber hinaus schon seit langem für eine europäische Baustellenausweislösung, die es den Behörden und Unternehmen leichter macht herauszufinden, wer seine Arbeitskraft legal oder illegal anbietet. Das gesamtgesellschaftliche Interesse an legaler Arbeit überwiegt aus meiner Sicht gegenüber den datenschutzrechtlichen Bedenken bei weitem. Diese Forderungen erheben wir als BVN übrigens seit langem. Und wir hoffen sehr, dass die neue Bundesregierung das nun endlich in ihr Handeln einbezieht. Deutschland braucht geordnete Einwanderung und eine europäische Arbeitsausweislösung!

In der Vergangenheit lag die Baukompetenz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Finden Sie diese Kompetenz-Kombination glücklich?

Ich wäre froh, wenn es ein eigenständiges Bauministerium gäbe, das sich ganz auf unsere Branche konzentriert. Wir brauchen hier ein Ministerium der Bau-Vernunft – das heißt, ein Management des Machbaren am Bau.

Noch einmal zurück zum Ergebnis der Bundestagswahl: Wie kommentieren Ihre Kollegen das insgesamt?

Dass man das Abschneiden der AfD allgemein eher als Protestwahl sieht, hatte ich bereits erwähnt. Es gibt gewisse Vorbehalte gegen ein mögliches Mitregieren der Grünen. Man fürchtet, dass es weitere Regulierung im Stil der verunglückten neuen Gewerbeabfallverordnung geben könnte. Die Kosten für die Entsorgung von Bauabfällen sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen und belaufen sich inzwischen auf bis zu 20 Prozent der Baukosten. Diese Entwicklung muss gestoppt werden! Ein weiteres wichtiges Thema ist die Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz, die die Herstellung von mineralischen Ersatzbaustoffen aus Bau- und Abbruchabfällen, Schlacken aus der Metallerzeugung und Aschen aus thermischen Prozessen regelt. Auch wenn die Mantelverordnung zunächst vertagt ist, hier brauchen wir eine praktisch umsetzbare Lösung anstelle von Ideologie. Machbarkeit muss hier an die Stelle von Wunschdenken treten.

So wie es aussieht, könnten die Grünen mitregieren. Das wünschen sich nach Umfragen auch die meisten Deutschen. Glauben Sie vor diesem Hintergrund, dass wir zu einem Ministerium der Vernunft kommen?

Die Grünen sind jedenfalls anders als die FDP in einer für das Baugewerbe sehr wichtigen Frage auf unserer Seite: Sie sind skeptisch gegenüber Modellen der Public-Private-Partnership und lehnen das Modell ab. Das entspricht unserer Linie und das nützt unseren mittelständischen Unternehmen. Landespolitisch zeigen grüne Politiker durchaus realistische Positionen. Mit solchen Leuten können und werden wir reden. Wir brauchen sicher machbare und verbesserte Lösungen, insbesondere was die EnEV angeht. Unabhängig von der Couleur werden wir als Verband an der Politik arbeiten. Ein wichtiges Thema ist hier beispielsweise das Verbot für Energieberater, Aufträge auch auszuführen, für die sie zuvor beraterisch tätig waren. Jeder Zahnarzt darf seine Patienten beraten, bevor er sie behandelt. Warum sollen Handwerker das nicht auch tun dürfen! Das sogenannte Unabhängigkeitsgebot muss fallen!

Was stünde sonst auf Ihrem Wunschzettel für die neue Bundesregierung?

An erster Stelle: Es darf keine Dieselfahrverbote oder sonstige Einschränkungen in unseren Städten geben! Unsere Handwerker müssen auch weiterhin zu ihren Baustellen und Kunden gelangen können. Dafür muss diese neue Bundesregierung auch im Interesse der Beschäftigung sorgen. Natürlich müssen unsere Volksvertreter auch dafür Sorge tragen, dass Fahrzeughersteller, die Handwerkern vermeintlich saubere Fahrzeuge verkauft haben, auch gewährleisten müssen, dass Verkaufsversprechen in die Realität überführt werden. E-Fahrzeuge werden uns aktuell nicht helfen. Ich störe mich auch daran, dass manche in der Politik E-Autos als alleinige Heilsbringer sehen. Denn erstens muss dieser Strom auch irgendwo produziert werden. Und zweitens sollten wir auf der Suche nach umweltfreundlichen Antrieben für unsere Fahrzeuge und Maschinen am Bau technologieoffen sein. Auch Brennstoffzellen sind eine interessante Option. Die Energiebilanz eines E-Mobils inklusive Akkus ist auch nicht so sauber, wie uns manche glauben machen wollen.

Ist nicht auch das Arbeitsministerium einer neuen Bundesregierung ein Thema? Von dort kamen beispielsweise Mindestlohnaufzeichnungspflichten und vieles andere, was gerade kleineren Unternehmen viel Mühe bereitet...

Diese Überregulierung muss sicher zurückgeführt werden, auch wenn ich daran zweifele, ob sich das Arbeitsministerium wirklich deregulieren lässt.

Was sollte die Bundeskanzlerin Merkel denn im Sinne des Baugewerbes auf den Weg bringen?

Wir erinnern uns an versprochene Abschreibungen für den Neubau von Wohnimmobilien. Daran werden wir die Bundeskanzlerin deutlich erinnern, zumal der Wohnungsbau bekanntermaßen vor allem in Großstädten deutlich mehr Schub braucht. Mit 285.000 fertiggestellten Wohneinheiten im vergangenen Jahr ist das gesetzte Ziel von 350.000 Einheiten bei weitem nicht erreicht worden. Ich wünsche mir eine vierprozentige Abschreibung auf den Neubau von Wohnungen. Eine solche Sonder-AfA für die Schaffung von Wohnraum kann auch mehr Menschen in Wohneigentum bringen, die dann im Alter mietfrei wohnen können. Diese Art der Altersvorsorge gehört zum Katalog der FDP. Wir nehmen sie als BVN beim Wort. Wir müssen darüber hinaus Wege finden, wie mehr Sozialwohnungen geschaffen werden können. Dafür braucht es staatliche Unterstützung. Im Bereich der energetischen Sanierung müssen ebenfalls neue Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden. Diese Steuerbegünstigung muss auch für selbst genutztes Wohneigentum gelten. Wer hier Bedenken wegen neuer Subventionstatbestände hat, der sei darauf hingewiesen, dass Bauinvestitionen rein binnenwirtschaftlich wirken. Das investierte staatliche Geld spielt sich damit mehr als wieder ein! Gesamtgesellschaftlich nützlich weil binnenwirtschaftlich wirksam wäre es auch, die steuerlich begünstigte Obergrenze von 6.000 Euro pro Jahr für Handwerksleistungen auf 20.000 Euro anzuheben. Das ist praxisgerecht und kann neue Arbeitsplätze im Handwerk schaffen und verhindert Schwarzarbeit. Schlussendlich erwarten wir als BVN, dass eine neue Bundesregierung die Städtebauförderung fortführt und dass sie keine neuen Steine in den Weg legt, was die Ausweisung von Bauland angeht. Wer sich den Zustand von Teilen unserer Städte und den Wohnungsmangel gerade in Ballungsgebieten ansieht, der weiß, dass hier gehandelt werden muss. Zur Disposition steht auch die Vorschriftenkulisse – zum Beispiel die erforderliche Zahl von PKW-Stellplätzen und weitere Novellierungen in den Landesbauordnungen.

Ein Ärgernis ist einigen auch die in den letzten Jahren in vielen Bundesländern erhöhte Grunderwerbssteuer...

Wir alle wollen, dass mehr Menschen in Deutschland in den eigenen vier Wänden leben können. Deshalb plädiere ich dafür, dass ein Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum von der Grunderwerbssteuer befreit sein sollte oder dass es zumindest Freibeträge für Erwachsene und Kinder gibt. Ermäßigt werden sollte die Grunderwerbssteuer bei Projekten des Sozialen Wohnungsbaus.

Was kann diese neue Bundesregierung für die Duale Ausbildung tun, die ja das Rückgrat der Nachwuchsgewinnung im Baugewerbe ist?

Die Politik hat hier bereits sehr durchgängige Systeme geschaffen. Im Prinzip können gute Duale Absolventen über weiterführende Bildungsgänge bis zur Hochschulausbildung gelangen, und auch für schwächere Absolventen gibt es viele Karriere-Optionen über die Duale Ausbildung. Was ich mir noch wünschen würde, wären staatliche Zuschüsse zur Meisterausbildung. Das wäre nur recht und billig, um eine Gleichstellung mit dem Studium zu gewährleisten. Mustergültig ist hier die Förderung, wie sie kürzlich in Niedersachsen mit der 4000-Euro-Prämie für Meister-Absolventen eingeführt wurde. Den Lippenbekenntnissen für unser Meistersystem müssen Taten folgen: Unsere neue Bundesregierung muss auch innerhalb der EU klar für das Duale System und die gesamtgesellschaftlich bedeutende Ausbildungsleistung eintreten, die unsere Betriebe erbringen.

Ein Thema sind auch die langen und teuren Anfahrtswege sowie Unterbringungskosten, die Baulehrlinge zu ihren Berufsschulen zurückzulegen haben. Hier muss jedes Bundesland oder der Staat helfen, damit diese jungen Menschen das nicht selbst zu tragen haben oder aber endlich wohnortnähere Beschulungen in Oberzentren umsetzen!

Die Regierung Schröder hat nicht gefahrgeneigte Gewerke aus der Meisterpflicht herausgenommen. Hat sich das aus Ihrer Sicht bewährt?

Nein! Es hatte vor allem harte Folgen für die Ausbildung beispielsweise im Fliesenlegerhandwerk. Deshalb trete ich dafür ein, auf diesem Irrweg umzukehren und die Meisterpflicht bei Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern sowie Betonstein- und Terrazzoherstellern und Estrichlegern wieder einzuführen. Das wäre auch ein wichtiger Beitrag zum Verbraucherschutz, denn das Meistersystem sichert hohe handwerkliche Standards.

Und das war Ihr Wunschzettel an eine neue Bundesregierung bereits?

Es gibt noch vieles, was ich mir im Interesse unserer Betriebe von einer neuen Bundesregierung wünschen würde. Generell gilt, dass die neue Regierungskoalition ein mittelstandsfreundliches Klima in Deutschland schaffen muss und den Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaft und Beschäftigung würdigt. Sie sollte entschieden gegen Vorurteile und Neid gegenüber Menschen eintreten, die durch harte Arbeit und Verantwortungsbewusstsein Erfolge für sich und ihre Beschäftigten erzielen!

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