SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über Rückstand, die Maut und den Soli für Niedersachsen

Die Umsätze des öffentlichen Baus werden nach einer Prognose des Zentralverbandes des Bauhauptgewerbes auch 2014 nicht das Niveau des Jahres 2000 erreichen (2014: 28,1 Mrd., 2000:  28,7 Mrd. Euro).

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 Über den Sanierungsrückstand bei der öffentlichen Infrastruktur ist viel geschrieben und gesprochen worden. Was kann getan werden, um mehr Gelder zu mobilisieren?

In der Tat haben wir in Deutschland einen großen Nachholbedarf bei der Sanierung und dem Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur. In einigen Landesteilen müssen Lkws im Zickzack durch Deutschland fahren, weil Brücken gesperrt sind. Das darf natürlich nicht sein.

Die Koalition wird deswegen bis 2017 bei den Investitionen in die Verkehrswege insgesamt fünf Mrd. Euro oben drauf legen. Das sind am Ende rund 14 Mrd. Euro – vier Mrd. mehr als unter Schwarz-gelb pro Jahr investiert wurde. 

Auch aus den zusätzlichen zehn Mrd. Euro für Investitionen muss ein Teil in den Verkehr fließen.

Und schließlich werden über die Ausweitung der Lkw-Maut weitere rund zwei Mrd. Euro in die Verkehrswege investiert.

Ist die „schwarze Null“ vor diesem Hintergrund für Sie in Stein gemeißelt?

Der ausgeglichene Haushalt ist beschlossene Sache. Darauf ist die SPD auch stolz, weil es uns gleichzeitig gelungen ist, bei angespannter Konjunktur zusätzliche öffentliche und private Investitionen anzuschieben. Wir spielen die Zukunftsprojekte „Keine neuen Schulden“ und Investitionen nicht gegeneinander aus. Beides ist für die kommenden Generationen wichtig.

Viele Kommunen in wirtschaftsschwächeren Gebieten stecken in tiefer Finanznot und sehen sich nicht in der Lage, notwendige Sanierungsarbeiten vorzunehmen. Wie kann man hier helfen?

Es ist klar, dass die Kommunen eine Menge Lasten zu tragen haben. Und durch den zu erwartenden Strom an Flüchtlingen in den kommenden Jahren wird das auch nicht weniger sondern mehr. Der Bund hilft bereits an mehreren Stellen und hat gerade eine weitere Mrd. für die Kommunen zugesagt, um ihnen bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unter die Arme zu greifen.

Die NRW-Landesregierung hat sich dafür ausgesprochen, auch strukturschwache Gebiete im Westen mit Mitteln aus dem Solidaritätszuschlag zu unterstützen. Ist das aus Ihrer Sicht ein Weg, über den man nachdenken sollte?

Unsere Verfassung verlangt aus guten Gründen, dass die Lebensverhältnisse in den Regionen gleichwertig sein sollen. Nach der Deutschen Einheit war es richtig, über den Solidaritätszuschlag für gleichwertige Lebensverhältnisse in Ostdeutschland zu sorgen. Inzwischen haben wir strukturschwache Regionen in ganz Deutschland. Deswegen plädiere ich dafür, die Mittel aus dem Solidaritätszuschlag nach 2019 im ganzen Land, also auch in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, einzusetzen.

Die neue Pkw-Maut soll nach Schätzungen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ab 2016 eine halbe Milliarde Euro pro Jahr einbringen. Andere Schätzungen gehen von geringeren Einnahmen aus. Hilft uns das substanziell, um den Modernisierungsrückstand in der öffentlichen Infrastruktur zu beseitigen?

Die Pkw-Maut ist ein Wunschprojekt der CSU, das wir im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart haben. Für die Umsetzung haben wir harte Kriterien ausgemacht. Wenn die erfüllt sind, werden wir das Projekt auf den Weg bringen. Klar ist aber auch, dass die Pkw-Maut unsere Probleme bei den Verkehrsinvestitionen in keiner Weise lösen wird. Die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesfernstraßen hilft da schon weiter. Da erwarte ich für eine Legislaturperiode rund acht Mrd. Euro an Zusatzeinnahmen. 

Konkurrenz durch Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit ist vor allem für kleine und mittlere Bau- sowie Handwerksbetriebe existenzbedrohlich. Was tun Sie beziehungsweise haben Sie vor, um das Baugewerbe und Handwerk davor zu schützen?

Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. Unsere Bauwirtschaft lebt von den vielen mittelständischen Unternehmen, die ehrlich wirtschaften. Die meisten halten sich an die Spielregeln und zahlen ihren Mitarbeitern ordentliche Löhne und Sozialbeiträge. Ich erinnere dabei gern daran, dass der Bausektor die erste Branche war, die zwischen den Tarifpartnern einen Mindestlohn ausgehandelt hat.

Die Zahl der Schwarzarbeiter im Baugewerbe ist aber auch nicht zu ignorieren. Der Zoll ist dort mit der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ unterwegs und macht einen guten Job. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns stocken wir beim Kontrollpersonal kräftig auf. Damit schützen wir die ehrlichen Unternehmen.

Welche Bedeutung messen Sie dem Meistersystem im deutschen Handwerk zu?

Und wie beurteilen Sie die Aufforderung der EU-Kommission an Deutschland, den Meister als Voraussetzung zur Führung eines Betriebes zu überprüfen?

Droht uns in Deutschland in Handwerksberufen und dem Baugewerbe im Zuge der europäischen Harmonisierung eine Egalisierung auf niedrigere gesamteuropäische Niveaus?

Wie beurteilen Sie die Folgen für die Duale Ausbildung und welche Rolle messen Sie dem Dualen System zu?

Der Meister im deutschen Handwerk steht für gute Qualität und Qualifikation auf höchstem Niveau. Nicht umsonst haben die Arbeiten von Handwerkern insbesondere im Baugewerbe den Ruf, für hohe Qualität und Zuverlässigkeit zu stehen. 

Wir sollten genau hinschauen, wenn die Europäische Kommission die Richtlinie zur Anerkennung der Berufsqualifikationen überarbeiten will. Unser duales Ausbildungssystem mit unseren Ausbildungs- und Qualitätsstandards hat sich bewährt. Das sollten wir auf europäischer Ebene verteidigen.  

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