Erfahrungsbericht von Peter Krauß: Unser erstes Projekt mit BIM - Experten sind Mangelware

Peter Krauß, Geschäftsführer der Hasselmann GmbH, berichtet über seine Erfahrungen mit einem BIM-Pilotprojekt für die Deutsche Bahn. Der Neubau der Verkehrsstation Werbig mit einem Auftragsvolumen von rund 500.000 Euro war das erste BIM-Projekt des Unternehmens. Für Krauß war es ein alternativloser Sprung „ins kalte Wasser", denn sein Hauptauftraggeber Deutsche Bahn AG will BIM bis 2019 als Standard verbindlich einführen.

Bild von Peter Krauß

Der Neubau der Verkehrsstation Werbig im Oderbruch/Brandenburg ist als Pilotprojekt vollständig mit digitalen Planungswerkzeugen umgesetzt worden. Die Hasselmann GmbH beschäftigt sich mit Bahnbau, Kommunalbau und Ingenieurbau. Sie ist zu 80 Prozent für die Bahn tätig, setzt hier pro Jahr rund 40 Mio. Euro um und beschäftigt rund 200 Mitarbeiter.

Infos zum BIM-Projekt Verkehrsstation Werbig

Herr Krauß, Sie haben mit dem Neubau der Bahnstation Werbig ein Pilotprojekt für die Deutsche Bahn realisiert, das komplett mit der digitalen BIM-Technologie abgewickelt wurde. Wie gestaltete sich Ihr Einstieg ins digitale Bauen?

Generell gab es anfangs bei uns im Hause viel Ablehnung gegenüber BIM. Bauleiter und Mitarbeiter haben mir gesagt, dass sie die Einführung von BIM im Tagesgeschäft nicht abdecken können. Schnell wurde mir klar, dass wir einen BIM-Manager brauchen, der sich ausschließlich darum kümmert. Diese Person muss zum einen die Bauprozesse verstehen und zum anderen sehr softwareaffin sein. Unser IT-Administrator hatte sofort darauf aufmerksam gemacht, dass er die Zusammenhänge am Bau zu wenig kennt, als dass er diese Aufgabe übernehmen könne. Ein Problem war, dass es fast unmöglich ist, fertige Leute am Markt zu finden, die einerseits die erforderlichen Baukenntnisse und andererseits das notwendige IT-Know-how haben.

Wie haben Sie Ihre vorhandenen Mitarbeiter an BIM herangeführt?

Das Durchschnittsalter unserer Belegschaft liegt bei 44 Jahren. Das Anlernen älterer Mitarbeiter hat bei uns anfangs nur schwierig funktioniert. Es gab große Vorbehalte, überhaupt mit einem BIM-Modell zu arbeiten. Doch mir war klar, dass ich um das Thema nicht herumkomme. Denn unser Hauptauftraggeber ist die Deutsche Bahn – hauptsächlich die DB Station&Service AG. Diese will ab 2019 ihre Projekte nur noch über BIM abwickeln. Und wir sind einfach ins kalte Wasser gesprungen, als das Pilotprojekt „Verkehrsstation Werbig" auf den Markt kam. Schon die Ausschreibung war eine Herausforderung: Da stand lediglich eine Pauschalposition „BIM". Was soll man hier eintragen? Wir haben die Ausschreibung gewonnen und sind anfangs ziemlich unbedarft eingestiegen.

Und wie haben Sie insgesamt eine funktionsfähige Struktur geschaffen?

Ein erster Schritt war die Organisation im Projekt, aber auch projektübergreifend. Wer benötigt welche Information zu welcher Zeit? Das war eine der Schlüsselfragen. Erst danach gab es projektbegleitende Anwenderschulungen in den Softwarepaketen. Unterstützt wurden wir dabei sowohl von der BRZ Deutschland GmbH als auch vom BIM-Spezialisten Dr.-Ing. Jochen Hanff von der ceapoint aec technologies GmbH. Inzwischen habe ich in unserem Technikbüro eigene Mitarbeiter im Unternehmen, die Kenntnisse rund um das Thema BIM haben.

Schildern Sie uns bitte Ihre ersten Schritte in diesem Pilotprojekt.

Wir erhielten vom Auftraggeber ein Planungs- und ein Bestandsmodell, dazu Regeldetails und ein klassisches Leistungsverzeichnis. Ein BIM-Modell besteht ja aus Bauteilen oder Objekten, die Foto vom BIM-Projekt Verkehrsstation Werbigwiederum Attribute oder Eigenschaften tragen. Die Geometrien und Eigenschaften beschreiben, was schlussendlich ausgeführt werden soll. Mit der Software „DESITE" konnten die Modelle geöffnet, kombiniert und angesehen werden – von Kabelschächten über Kabelkanäle bis hin zu Lampenmasten, Wartehäuschen und sonstigen Details. Das Bestandsmodell hilft mir, einen Eindruck der vorliegenden Verhältnisse zu gewinnen. Auch mögliche Kollisionspunkte und Fehler für die Bauausführung sind sehr leicht zu erkennen. Stellt man beispielsweise fest, dass genau dort, wo das Fundament eines Wartehäuschens vorgesehen ist, ein Kabelschacht liegt, so kann man das Modell in Zusammenarbeit mit Auftraggebern und Planern korrigieren. Arbeiten alle Projektbeteiligten zusätzlich noch in einem gemeinsamen Projektraum, so funktioniert der Datenaustausch noch einfacher.

Die Poliere auf der Baustelle hatten laut Präsentation der DB Station&Service AG aber noch zweidimensionale Pläne auf Papier.

Grundsätzlich lassen sich aus BIM-Modellen Pläne ableiten. Diese Papierunterlagen hatten wir natürlich unterstützend auch mit auf der Baustelle. Daneben hatten aber sowohl der Bauleiter, als auch der Polier auch die BIM-Modelle mit auf der Baustelle und konnten viel einfacher Schnitte, Abmaße und Mengenabfragen machen. Ein Ziel, das wir uns gesetzt haben, ist, dass zukünftig die Bauleiter auch die Modelle auf Tablets dabeihaben.

Haben Ihre Mitarbeiter die digitalen Werkzeuge als neue Arbeitsmittel akzeptiert?

Anfangs war es sehr schwer, sie davon zu überzeugen. Doch während der Bauphase hat unser Polier in Werbig, 53 Jahre alt und noch nie mit digitalem Bauen konfrontiert, das Arbeiten mit dem Modell sehr schätzen gelernt, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass sich damit Probleme vor Ort leichter lösen lassen. Das hat auch die Einstellung anderer älterer Mitarbeiter zu BIM verbessert.
In „DESITE" sind für den Mitarbeiter nicht nur die BIM-Modelle sichtbar, sondern beispielsweise auch mit GPS hinterlegte Fotos. Er fotografiert ein Problem einfach mit seinem Smartphone und aktiviert dabei die GPS-Funktion. Diese Fotos werden dann über den Projektraum direkt in das „DESITE"-Projekt synchronisiert und an die richtige Stelle verortet. Eine manuelle Zuordnung der Fotos zum Standort entfällt dadurch. Gerade bei einer Mängelverwaltung ist das natürlich extrem hilfreich.

Das hört sich aufwendig an.

Das war es zum Teil auch! Aber wir sprechen hier auch von einer ganz neuen Arbeitsweise, an die sich alle am Bau Beteiligten erst einmal gewöhnen müssen.

Wie können acht bis 15-köpfige Betriebe dieses System einführen?

Das ist bestimmt nicht so einfach. Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich die Soft- und Hardwarevorrausetzungen zu erfüllen. Viel wichtiger ist aber der Kompetenzaufbau bei den Mitarbeitern. Da hilft es schon, sich damit zu beschäftigen und an Fachveranstaltungen der Verbände teilzunehmen.

Wie hoch war Ihr investiver Aufwand für den BIM-Einstieg?

In meinem 200-Mitarbeiter-Unternehmen habe ich gut 120.000 Euro ausgegeben, um bei BIM mitarbeiten zu können. Dabei ging es zunächst um das eine Pilotprojekt in Werbig, aber vor allem auch darum, langfristig das Unternehmen Hasselmann auf solche BIM-Projekte vorzubereiten und fit dafür zu sein.

Wie groß war das Gesamtvolumen dieses Projektes?

Rund 500.000 Euro. Sicher: Die Investition ist im Verhältnis dazu hoch. Ich sehe sie langfristig, weil mein Hauptauftraggeber, die Deutsche Bahn, BIM zum Standard machen wird.

Planen mit BIMHat Ihr Auftraggeber Ihnen die BIM-Software vorgeschrieben? Es gibt derzeit ja eine Reihe von Plattformen. Was, wenn ein Unternehmen viel Geld für die Falsche ausgegeben hat?

Wir haben uns für die BIM-Management Software „DESITE" von der ceapoint GmbH entschieden. Die Software ist sehr offen und flexibel bezüglich der gängigen Schnittstellen im Bauwesen. Ich weiß, dass auch die Deutsche Bahn als Auftraggeber sich mit offenen Schnittstellen beschäftigt.

Warum treibt die Bahn BIM so engagiert voran?

Es gibt hierfür aus Sicht der Deutschen Bahn eigentlich zwei Aspekte: Zum einen sollen bei großen Projekten mit Hilfe der Methode BIM die Komplexität beherrscht werden. Zum anderen soll die Methode BIM bei kleinen und mittleren Projekten durch eine hohe Standarisierung die Effizienz in der Planung, Ausführung und im Betrieb erhöhen. Das bedingt dann natürlich auch, dass Nachträge bei Bauprojekten vermieden werden sollen und damit im Kostenrahmen bleiben. Zudem sollen Projekte in ihrer Planung beschleunigt werden. Bei der Bahn stehen oft plötzlich Gelder zum Bauen bereit, die dann auch zeitnah verbaut werden müssen. Da die Zeit für die Planung oft sehr kurz ist, entsteht ein hohes Nachtragsvolumen für Unvorhergesehenes. BIM erlaubt den schnellen Abgleich des virtuellen Modells mit den Verhältnissen vor Ort und Korrekturen, die Nachträge vermeiden, weil Änderungen sofort in die Planung übernommen werden. BIM soll so mehr Verlässlichkeit bei der Kostenplanung bringen. Das hat beim Pilotprojekt in Werbig funktioniert. Bereits beim Abgleich des virtuellen Modells vor Ort ist uns aufgefallen, dass der Bordstein zur Begrenzung des Bahnsteiges im Modell keinen Unterbau hatte. Dort war einfach eine Lücke. Das haben wir noch vor dem Einstieg in unsere Kalkulation reklamiert. Im gesamten Projekt hatten wir hinterher nur einen Nachtrag: die Abrissleistung für unterirdische Fundamente, die niemand im Blick haben konnte. BIM hat sich hier also bewährt, was den Kostenrahmen angeht. Das ist ein entscheidender Vorteil. Auch beim neuen Haupstadtflughafen in Berlin wären Planungsfehler bei der technischen Gebäudeausrüstung, die dort ein großes Thema sind, durch die bildhafte Darstellung von BIM wahrscheinlich frühzeitig aufgefallen.

Planen mit BIM soll im gesamten Baubereich etabliert werden. Glauben Sie, dass beispielsweise kommunale Auftraggeber dazu in den kommenden Jahren in der Lage sind?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die erforderlichen Kompetenzen auf den Ämtern zeitnah verfügbar sind. Auch das von der Bahn beauftragte Ingenieurbüro in unserem Projekt hatte nur einen Mann, der sich rundum mit BIM auskannte. Auf dem Arbeitsmarkt ist es ausgesprochen schwierig, BIM-Fachleute zu bekommen. Diese Erfahrung mache ich selbst – das werden auch Städte und Gemeinden erleben, wenn sie Fachpersonal rekrutieren möchten. Als Unternehmen setze ich auf junge Fachkräfte, die direkt von der Ingenieurschule kommen. Am besten wäre es, wenn sie eine Doppelausbildung in Ingenieurwesen und IT hätten. Es ist nicht leicht, solche Leute zu finden, weil alle Unternehmen nach solchen Kandidaten suchen. Ich könnte bei meiner Auftragslage noch Mitarbeiter einstellen, wenn ich sie nur bekommen könnte. Damit ist natürlich auch der Auftrag an Fachhochschulen und Universitäten da, solche Leute auszubilden.

Ist in diesem BIM-Pilotprojekt für Sie alles nach Wunsch verlaufen?

Auf Planungsseite hat sich gezeigt, dass man mit BIM gut arbeiten kann. Ich würde mir aber wünschen, dass zum Beispiel auch die Abrechnung direkt aus BIM abgewickelt wird. Das ist technisch möglich. So sind beispielsweise sämtliche Massenberechnungen auf drei Stellen hinterm Komma genau dort hinterlegt. Könnte ich die Abrechnung aus dem Modell heraus erstellen, statt sie im Nachhinein noch einmal von Hand per Aufmaß durchführen zu müssen, so würde das Entlastung für mein Unternehmen bringen. Doch bisher musste die Abrechnung auch in diesem Pilotprojekt immer noch konventionell ablaufen. Ich würde gern komplett auf digital umstellen.

Mit BIM kann man den gesamten Lebenszyklus bis zum Abriss eines Bauwerks verfolgen.

Das Problem: Die Deutsche Bahn hat viel Altbestand an Gebäuden und Anlagen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Hier liegen teilweise keine Unterlagen mehr vor, sodass ein solches Vorhaben über BIM schwierig ist. Bei kompletten Neubauten oder späteren Erweiterungen kann ich mir das aber gut vorstellen. Hier bringt BIM große Potenziale. Es schafft am Ende auch mehr Sicherheit für den Bauunternehmer, weil sich ein Nachtrag dann beispielsweise schnell und einfach begründen lässt. Man zeigt dem Einkäufer einfach am Modell, wo Zusatzleistungen entstanden sind. Komplett und konsequent eingesetzt, bringt BIM Vorteile für alle Beteiligten.

Sie haben rund 120.000 Euro investiert, um in BIM einzusteigen. Wie sollen kleinere Unternehmen, in Niedersachsen haben viele rund zehn Mitarbeiter, da einsteigen können?

Unternehmen dieser Größenordnung werden aus meiner Sicht mit Nachunternehmern arbeiten müssen – Ingenieurbüros, die sich mit BIM auskennen. Liegt die Erstellung des BIM-Modells im Leistungsumfang des Bauunternehmens, müsste ein Ingenieurbüro aus zugelieferten Papierplänen virtuelle Modelle erarbeiten und dem Bauunternehmen zur Verfügung stellen. Dessen Mitarbeiter wiederum könnten vor Ort dann mit den Modellen arbeiten. Die Software und Hardware für die Arbeit auf der Baustelle mit BIM halte ich für eine überschaubare Investition.

Nur 15 Prozent aller Architektenbüros arbeiten derzeit mit BIM.

Richtig: Büros, die sich mit BIM auskennen, sind derzeit noch nicht so leicht zu finden. Auch wir haben diese Erfahrung jüngst bei einem Auftrag in Frankfurt gemacht. Was man aber feststellen kann, dass immer mehr Architektur- und Ingenieurbüros auf die Planung mit der Methode BIM umsteigen, da Sie ja selber enorme Vorteile dadurch erhalten. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist schnelles Internet, da sehr große Datenmengen zu bewegen sind. Und sie brauchen sehr große Speicherkapazitäten. Datensicherheit ist ein weiteres Thema. Wir arbeiten bei uns derzeit daran, was wir tun müssen, um diese dauerhaft zu gewährleisten.

Bundesbauminister Alexander Dobrindt will BIM bis zum Jahr 2020 zum Standard für den Bau von Verkehrsinfrastrukturprojekten machen. Halten Sie dieses Ziel angesichts der geschilderten Personalprobleme für realistisch?

Es ist nach meiner Einschätzung aus der Praxis zumindest sehr sportlich. Der größte Engpass dabei ist das Personal, das mit der neuen Technologie umgehen kann.

Steckbrief von Peter Krauß

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