Reizthema Sachmängelgewährleistungs- und Bauvertragsrecht: Wie ist der Sachstand?

Elisabeth Winkelmeier-Becker, Sprecherin der Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, nimmt in diesem Interview Stellung zu den Einwänden, die Bau- und Handwerksverbände geltend machen. Sie informiert auch über den aktuellen Sachstand im parlamentarischen Verfahren.

Porträt von Elisabeth Winkelmeier-Becker, Sprecherin der Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Frau Winkelmeier-Becker, das Baugewerbe kritisiert, dass im Gesetzentwurf zum neuen Bauvertragsrecht das Gewährleistungsrecht, das Bauvertragsrecht und die Regelungen zu den Aus- und Einbaukosten nicht in separaten Gesetzen geregelt worden sind. Warum wurde der Versuch gestartet, dies in einem Gesetz abzuhandeln?

Zwischen den Änderungen im Mängelgewährleistungsrecht und der gesetzlichen Regelung des Bauvertragsrechts besteht ein sachlicher Zusammenhang, da dies beides die Gestaltung der Vertragsbeziehungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) betrifft. Das BGB ist das Herzstück unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung, daher sollten umfassendere Änderungen beziehungsweise Neufassungen in einem Bereich auch konsistent sein und nach Möglichkeit „in einem Guss" erfolgen. Die Verbesserungen beim Gewährleistungsrecht, vor allem im Hinblick auf Handwerker, waren ein Anliegen der Unionsfraktion aus dem Koalitionsvertrag. Das SPD-geführte Bundesjustizministerium hat den Gesetzentwurf als Kombination zwischen dem Gewährleistungsrecht und dem Bauvertragsrecht vorgelegt. In dieser Form hat er die weiteren Verfahrensschritte passiert.

Wie ist denn der genaue Stand des Gesetzgebungsverfahrens?

Der Entwurf hat die erste Lesung im Bundestag, die Behandlung im Bundesrat und die Expertenanhörung hinter sich. Nun stehen die zweite Lesung im Bundestag und das Inkrafttreten bevor. Der genaue Zeitpunkt ist noch nicht bekannt.

Und wie ist Ihre Meinung zum aktuellen Stand des Entwurfes?

Wir haben beim Bauvertragsrecht einige gute Regelungen, die auch tatsächlich Probleme aus der Praxis lösen. Die handwerkerfreundliche Reform des Gewährleistungsrechtes, die wir als Union über den Koalitionsvertrag hineingebracht hatten, macht sich nun auch die SPD zu Eigen.

Kommen wir zu einem Kritikpunkt der Handwerksverbände: Hersteller von Materialien sollen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausschließen können, dass sie im Fall der Lieferung fehlerhafter Materialien für die Ein- und Ausbaukosten von Handwerkern haften müssen. Warum soll dies so geregelt werden?

Die Möglichkeit zur Anpassung von Vertragsregelungen im Business-to-Business-Bereich entspricht dem geltenden Recht und dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Streit geht darum, ob hier systemwidrig ausgerechnet die Regelung von Ein- und Ausbaukosten absolut unabdingbar sein soll. Wir meinen: Nein. Wir brauchen, um wirklich alle denkbaren Fälle abzubilden, ein Mindestmaß an Flexibilität. Deshalb halte ich es für richtig, dass im Einzelfall in den AGB auch abweichende Regelungen getroffen werden können. Das ist eine redliche – fachlich fundierte – Position, die sich im Übrigen auch die Fachleute im SPD-geführten Bundesministerium der Justiz zu Eigen gemacht haben. Dagegen vertreten einige in der SPD-Fraktion jetzt eine – aus meiner Sicht - populistische Position: Sie wollen im Gegensatz zu ihrem Justizminister nun doch ausschließen, dass die neuen Regelungen zu den Ein- und Ausbaukosten in den AGB von Lieferanten verändert oder ausgeschlossen werden können. Deshalb ist der Gesetzgebungsprozess ins Stottern geraten. Bevor es weitergeht, muss man sich nun zunächst auf der Ebene der stellvertretenden Fraktionsvorstände einig werden.

Können Sie den Standpunkt der Union für uns noch einmal im Detail beleuchten?

Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtswissenschaft wie in der Praxis sind Handwerker durch die von den Gerichten ausgeurteilte Rechtslage vor unvorteilhaften AGB in den Verträgen der Lieferanten bereits geschützt. Im Vertragsrecht kennen wir die AGB-Festigkeit, also das Verbot, Vorschriften des Verbraucherrechts durch AGB auszuschließen, nur in Bezug auf Verbraucher. Deshalb treten Handwerker ja oft nicht selbst als Wiederverkäufer von Material auf, sondern empfehlen, dass ihre Kunden dieses selbst kaufen sollen. Dann haben sie im Falle fehlerhaften Materials einen direkten Regress-Anspruch gegen den Lieferanten – und das betrifft auch die Ausbaukosten im Falle eines Fehlers. Dieser kann im Business-to-Consumer-Bereich auch nicht ausgeschlossen werden. Das ist im Business-to-Business-Bereich – wenn also der Handwerker als Wiederverkäufer auftritt – anders. Allerdings, und damit komme ich zum Anfang meiner Antwort zurück, prüfen Gerichte im Rahmen einer allgemeinen AGB-Kontrolle, ob AGB dem gesetzlichen Grundgedanken widersprechen. Wobei die Rechtsprechung ein Verbot für bestimmte AGB gegenüber Verbrauchern als Indiz dafür werten, dass diese AGB im Business-to-Business-Bereich ebenfalls verboten sind, es sei denn, es bestehen begründete Ausnahmen. Wir glauben, dass diese grundsätzliche Regel in der Rechtsprechung zum Schutz kleinerer Handwerks- und Baubetriebe ausreichend ist. Wir waren motiviert, den Schutz dieser kleineren Unternehmen durch das neue Gewährleistungsrecht zu verbessern, die großen Lieferanten in einer David-Goliath-Situation gegenüber stehen. Es gibt aber auch Zulieferer, bei denen das genau umkehrt ist.

Können Sie ein Beispiel für eine solche Konstellation nennen?Bild von Elisabeth Winklmeier-Becker, Dr. Hans-Jörg Dietsche (CDU/CSU Fraktion), Jan Loleit (BVN)

Nehmen Sie beispielsweise ein kleines oder mittelständisches Unternehmen (KMU), das einem großen Windanlagenhersteller ein kleines Relais zuliefert, das am Ende einen Funktionsschaden hat. Daraus können sehr hohe Ein- und Ausbaukosten entstehen. Gegen solch möglicherweise existenzielle Risiken müssen sich kleinere Hersteller von Niedrigpreisteilen wie zum Beispiel Relais für einen Einzelpreis von vielleicht fünf Euro in ihren AGB absichern können – zum Beispiel durch eine pauschalierte Schadenersatzsumme für den Fall eines Ausfalls, die in einem vernünftigen Verhältnis zum Preis des eingebauten Teils steht. Ein kompletter Ausschluss solcher Möglichkeiten kann sich zu einem Standortnachteil für Deutschland entwickeln, weil er zum Beispiel im Ausland unter Aspekten der Vertragsfreiheit gar nicht mehr verstanden wird. Vertragspartner müssen Verträge in gewissen Bereichen auch frei aushandeln können.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Ulrich Kelber hat bei serienmäßigen Gewährleistungs-Ausschlüssen in Lieferanten-AGB die Möglichkeit einer Verbandsklage angesprochen...

Eine Verbandsklage ist bereits möglich, wenn Gewährleistungs-Ausschlüsse in Lieferanten-AGB stattfinden. Das Handwerk kann, wenn ein Mitglied mit ungünstigen AGB konfrontiert wird, diesen Sachverhalt überprüfen lassen.

Hier kann zum Beispiel die Handwerkskammer ihren Mitgliedern konkrete Hilfe anbieten und damit die Sorgen gegenüber abweichenden AGB-Regelungen nehmen.

Wird es über die AGB-Frage hinaus noch Veränderungen beziehungsweise Erweiterungen am Gesetzentwurf geben?

Bis auf die AGB-Frage sind wir uns mit dem Koalitionspartner im Wesentlichen einig. Das SPD-geführte Ministerium der Justiz steht fachlich auf unserer Seite. Nun müssen noch einige Mitglieder in der SPD-Fraktion davon überzeugt werden. Noch aufgenommen werden einige Erweiterungen. Diese betreffen beispielsweise Maler und das Anbringen fehlerhafter Farbe oder Verputzer, die schadhaften Putz anbringen. Ein Punkt, den wir noch zu klären haben, ist die Frage, wer den Ein- und Ausbau eines schadhaften Teils durchführen kann. Wir sind uns vorbehaltlich der Gesamtzustimmung mit dem Koalitionspartner einig, dass es ein solches Wahlrecht des Lieferanten nicht geben wird.

Wie müssen wir uns diesen letzten Punkt vorstellen?

Es ist gemeinsame Position der Koalitionspartner, dass Baumarkt X dem Kunden keine eigene Arbeiter-Kolonne zum Wiederausbau schicken darf, wenn dieser Kunde zuvor den Handwerker Y beauftragt hatte. Dieser wird für den Ein- und Ausbau von Teilen zuständig bleiben. Der Kunde behält damit seinen Vertragspartner.

Für Kritik in den Verbänden sorgt auch das im neuen Bauvertragsrecht vorgesehene sehr weitreichende Anordnungsrecht. Nehmen Sie ein durchschnittliches Mitgliedsunternehmen des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen, das vielleicht ein oder zwei Häuser gleichzeitig baut. Mit dem Kunden war per Kostenvoranschlag der Bau eines Flachdachs vereinbart. Plötzlich will der Bauherr ein Walmdach. Das kleine Bauunternehmen ist entweder technisch oder terminlich nicht in der Lage, diesen Wunsch zu erfüllen. Was passiert dann?

Die Zumutbarkeit muss gegeben sein. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel seine Termine wegen Nachforderungen des Bauherrn nicht mehr halten kann, ist es auch nicht verpflichtet. Das muss notfalls gerichtlich geklärt werden. Es gibt in Bezug auf die Zumutbarkeit aber bereits jetzt eine gefestigte Rechtsprechung.
Unabhängig davon gibt es aber eben auch andere Fälle, in denen die Verbraucher zu schützen sind – nämlich dann, wenn Auftragserweiterungen oder -veränderungen verweigert würden, um den Preis dafür unverhältnismäßig hochzutreiben. Dafür brauchen wir das Anordnungsrecht des Bauherrn, um das in diesem Fall vorhandene strukturelle Übergewicht des Unternehmers abzufedern.

Unabhängig davon: Gerade baurechtliche Prozesse können dauern?

Ja, das kann mit existenziellen Problemen bis zur Insolvenz der Betroffenen, Bauherr wie Unternehmer, führen. Wir haben dieses Problem erkannt und werden spezialisierte Baukammern in den Landgerichten einrichten, die solche Fälle kompetent und vor allem schnell klären können. Oft reichen nach Kenntnisnahme der Situation schon richterliche Hinweise, um eine schnelle Klärung herbeizuführen.

Brauchen wir nicht das Instrument der Abnahmefiktion, wenn eine angemessene Frist verstrichen ist, damit der Handwerker beziehungsweise ein Bauunternehmen zu seinem Geld kommt?

Wenn eine Einigung nicht zu erzielen ist, muss über die bereits genannten spezialisierten Baukammern ein Fachmann entsandt werden, der sich die Lage vor Ort anschaut, und dass es in einer zumutbaren Frist – sagen wir vier bis sechs Wochen – zu einer Entscheidung per einstweiliger Anordnung kommt.

Seit dem 21. März 2O16 ist die Wohnimmobilienkreditrichtlinie der EU in deutsches Recht umgesetzt worden. Uns erreichen Berichte, nach denen die Errichtung und Sanierung von selbstgenutzten Wohnimmobilien durch eine restriktive Handhabung bei der Gewährung von Immobilienkrediten behindert, teilweise verhindert wird. Die EU-Richtlinie hat für die nationale Regelung ausdrücklich erlaubt, dass der Wert der Wohnung weiterhin maßgeblich bei der Kreditvergabe berücksichtigt werden kann. Warum ist Deutschland hier über das EU-Ziel hinausgeschossen?

Wir von der Union sehen hier Nachbesserungsbedarf im BGB. Es darf zum Beispiel nicht so sein, dass solvente Senioren keinen Renovierungskredit mehr erhalten, weil die Gefahr besteht, dass sie diesen womöglich nicht zu Lebzeiten zurückzahlen können. Diese EU-Richtlinie zielte beispielsweise auf Immobilienblasen in Spanien ab, wo man vielfach den Wertzuwachs der Immobilie bereits mit eingerechnet hatte, um die Kreditwürdigkeit zu begründen. Solche Praktiken sind bei deutschen Banken nicht üblich. Solche Unklarheiten muss der Gesetzgeber hierzulande ausräumen. Für das zuständige Bundesjustizministerium ist es nicht so einfach, öffentlich einzugestehen, dass man bei der Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkredit-Richtlinie handwerkliche Fehler gemacht hat. Deshalb will man nach so kurzer Zeit ohne das BGB anzupacken auskommen. Änderung des Finanzmarktgesetzes allein reichen aus unserer Sicht aber hier nicht aus!

Dann verstehen Sie also Befürchtungen der Baubranche in Bezug auf die EU-Wohnimmobilienkredit-Richtlinie?

Sie ist zweifellos ein Hemmschuh. Allerdings ist diese Richtlinie nicht in allen Fällen der wahre Grund dafür, dass sich eine Bank im Einzelfall zurückhält. Unterm Strich trete ich dafür ein, dass die nationale Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie auf das Maß zurückgeführt wird, dass die EU-Kommission wirklich vorgegeben hat und dass größtmögliche Klarheit für die Kreditinstitute geschaffen wird. Dort hatte in der Vergangenheit ja der sogenannte AGB-Widerrufs-Joker für Unsicherheit und Verluste gesorgt. Dabei ging es nur um eine sehr geringe Textabweichung von einem durch das Ministerium vorgegebenen Text für eine Widerrufsbelehrung. Tausende Kreditverträge waren deshalb entschädigungslos kündbar, und die Kreditnehmer versorgten sich im Zinstief mit billigerem Geld. Auch das hat zu einer verständlichen Risikoscheu der Banken bei der Kreditvergabe geführt. Dieses Schlupfloch hat der Gesetzgeber inzwischen geschlossen.

Registrierte Mitglieder erhalten Zugriff auf detaillierte Informationen und Dokumente.

Eingeloggt bleiben

Als registriertes Mitglied des BVN stehen Ihnen weitere Informationen und Downloads zur Verfügung.