Niedersachsens Umweltminister Wenzel: Niedersachsen plant keine Partikelfilter für Baumaschinen

Stefan Wenzel (54, Bündnis 90/Die Grünen) ist Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz des Landes Niedersachsen. Seit dem 19. Februar 2013 ist er niedersächsischer Umweltminister. DIE BAUSTELLE sprach mit ihm über neue Restriktionen für den Betrieb von Dieselfahrzeugen und -maschinen, die am Bau unverzichtbar sind.

Porträt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel

Neue Umweltvorgaben treffen aus Sicht des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen (BVN) vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht über die Investitionskraft von Konzernen verfügen. Wenzel stellte klar, dass in Niedersachsen derzeit keine Partikelfilter für Baumaschinen geplant sind. Mit Blick auf die begrenzten Investitionsspielräume kleinerer Unternehmen im Baugewerbe wies Wenzel darauf hin, dass „im Zusammenhang mit der Novellierung der Bundes-Immissionsschutzverordnung (...) Übergangszeiträume von fünf bis sieben Jahren diskutiert" werden. Weitere Themen dieses Gespräches waren:

  • Deponieknappheit: Der Minister hält es für wichtig, das Landesraumordnungsprogramm durch die Pflicht zu ergänzen, „in allen Landesteilen unter Beachtung des Prinzips der Nähe ausreichende Kapazitäten für Abfallentsorgungsanlagen zu sichern und bei Bedarf festzulegen".
  • Bezahlbarer Wohnraum: Unter Berufung auf Untersuchungen des Bundesumweltministeriums vertritt Landesumweltminister Wenzel die Auffassung, dass „die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und den Einsatz Erneuerbarer Energien (...) nur unwesentlich zu den Kostensteigerungen am Bau" beitrügen.

Zahlreiche deutsche Großstädte befürworten Fahrverbote für besonders umweltschädliche Diesel-Fahrzeuge. Berlin, München, Bremen, Stuttgart, Hannover und Osnabrück unterstützen einer Umfrage zufolge die Einführung der blauen Umweltplakette. Diesel ist der dominierende Treibstoff im Baugewerbe. Haben wir demnächst überall No-Go-Areas für Baufahrzeuge und Baugeräte?
Während es seit dem Jahr 2007 nicht mehr zu Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub gekommen ist, wurde hingegen der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) im Jahr 2015 in den niedersächsischen Kommunen Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hameln, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück überschritten. Daher besteht dort Handlungsbedarf. Bisher liegt jedoch kein Entwurf zur Novellierung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vor. Erst wenn eine Rechtsgrundlage vorhanden ist, sind unsere für die Erstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Kommunen in der Lage zu handeln! Nach der derzeitigen Bundes-Immissionsschutzverordnung (35. BImSchV) sind mobile Maschinen und Geräte, also auch Baumaschinen von den Verkehrsverboten ausgenommen. Zudem gilt ein Vertrauensschutz bei Kauf von Neufahrzeugen, der sich in der Regel an üblichen Abschreibungszeiten für Kfz orientiert.

Sie haben sich für höhere Dieselsteuern ausgesprochen, um Investitionen für saubere Stadtluft zu finanzieren. Damit haben Sie sich im Kreis der Länder-Ressortchefs nicht durchgesetzt. Aber einmal unterstellt, dies wäre anders gewesen: Ist es denn richtig, die überwiegend mittelständischen Bauunternehmen, die meisten haben kaum mehr als zehn Mitarbeiter, für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zahlen zu lassen?
Die EU identifiziert Diesel-Fahrzeuge als Verursacher der Luftverschmutzung und kritisiert den hohen Anteil der Diesel-Fahrzeuge in Deutschland sowie den Steuervorteil des Dieselkraftstoffes. Niedersachsen ist zwar derzeit vom Vertragsverletzungsverfahren nicht betroffen, aber auch hier werden die Grenzwerte verletzt. Die Landesregierung prüft derzeit alle Optionen, die zur Senkung des Ausstoßes führen können. Dies geschieht zum einen, um die Luftqualität zu verbessern, und zum anderem, um drohende Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden. Parallel verfolgen wir in Niedersachsen das Ziel, den Einsatz von emissionsarmen Fahrzeugen insbesondere bei der betrieblichen Nutzung so voranzutreiben, dass die Kommunen in der Lage sind, die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in den Innenstädten einhalten zu können. Dabei sollen die „mildesten Mittel" zunächst Vorrang haben – das heißt: Alle Anreize, die zum Umstieg auf eine abgasarme Fortbewegung abzielen, sind bevorzugt einzusetzen.

KMU werden kaum in der Lage sein, kurzfristig Lkw, Transporter und Baumaschinen zu beschaffen, die den neuen Vorgaben genügen. Begünstigt das nicht die Großbetriebe, die entsprechende Investitionsmöglichkeiten haben?
Bei der Ausgestaltung der Instrumente zur Verbesserung der Luftqualität sind natürlich Ungleichgewichte zu vermeiden. Die niedersächsischen Kommunen haben im Zusammenhang mit der Einrichtung von Umweltzonen auch in der Vergangenheit durch genehmigte Ausnahmen ausreichend Augenmaß bewiesen. Allerdings könnte Nichthandeln für die Kommunen und damit auch für die Steuerzahler einer Kommune insgesamt sehr teuer werden, wenn Vertragsstrafen oder Haftungsfragen im Raum stehen. Es liegt daher im wohlverstandenen Interesse aller Bewohner einer Stadt, ebenso wie der Gewerbetreibenden, dass gute Gesamtlösungen gefunden werden.

Wären Sie für eine Übergangsfrist, damit KMU am Bau nicht überfordert werden? Wie lang könnte beziehungsweise müsste diese sein?
Im Zusammenhang mit der Novellierung der Bundes-Immissionsschutzverordnung werden Übergangszeiträume von fünf bis sieben Jahren diskutiert.

Partikelfilter für Baumaschinen – Bremen und Berlin haben das schon zur Pflicht gemacht. Wie stehen Sie zu dem Thema?
In Niedersachsen ist derzeitig aufgrund der geringen Feinstaubbelastung keine verpflichtende Einführung von Partikelfiltern geplant. Die letzte Überschreitung eines Grenzwertes haben wir im Jahre 2006 verzeichnet.
Der niedersächsische Landtag behandelt zurzeit einen Antrag, der das Ziel hat, „Gesundheitliche Verbesserungen auf Baustellen voranbringen" (Drs-Nr. 17/5118). Hier bleibt das Ergebnis abzuwarten.

Zu Diskussionen und Unverständnis bei den Betrieben hat das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) mit den damit verbundenen Transportanmeldungen beim Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim geführt. Danach müssen zum Beispiel Tischlereien, die alte Fenster ausbauen und zum Betrieb zurücknehmen, diese Transporte anmelden. Wie lautet ihr Resümee seit der Novellierung des KrWG?
Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Verfahrens hat es nach Auskunft des zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim bisher nicht gegeben.
Das elektronische Antragsverfahren zur Entsorgung von Abfällen über das Portal www.eaev-formulare.de hat sich mittlerweile etabliert. Sämtliche zur Antragstellung erforderlichen Unterlagen, zum Beispiel Gewerbeanmeldung und Handelsregisterauszug, können elektronisch hochgeladen werden. Die durch die zuständige Behörde bestätigte Anzeige erhält der Antragsteller auf elektronischem Weg als PDF-Dokument.

Ein weiteres Umweltthema ist die zunehmende Deponieknappheit für Bauabfälle. Dies führt zu wachsenden Strecken, die Unternehmen zurücklegen müssen, um ihren Bauschutt zu entsorgen. Eine Meldung der Bauwirtschaft Baden-Württemberg berichtet von Strecken bis zu 100 km, die bis zur nächsten Erddeponie erforderlich sind. Sind solche Fahrstrecken nicht auch ein Problem für die Umwelt? Was tun, um dem Problem zu begegnen?
Die Verwertung von mineralischen Bauabfällen hat in Niedersachsen einen hohen Stellenwert. Dennoch steht fest, dass eine 100-prozentige Kreislaufführung bei dem Strom der mineralischen Massenabfälle weder möglich noch unter Umweltgesichtspunkten anzustreben ist. Daher verbleibt in Niedersachsen trotz einer hohen Verwertungsquote von rund 90 Prozent eine Masse von etwa 1,5 Mio. Tonnen an mineralischen Bauabfällen, die nur auf Deponien umweltsicher entsorgt werden kann.
Ein wichtiger Schritt in dieser Richtung ist die Ergänzung des Landesraumordnungsprogrammes durch die Pflicht, in allen Landesteilen unter Beachtung des Prinzips der Nähe ausreichende Kapazitäten für Abfallentsorgungsanlagen zu sichern und bei Bedarf festzulegen.

2016 trat die verschärfte Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014 in Kraft. Sie verteuere das Bauen laut Wohnungswirtschaft um bis zu elf Prozent, im Schnitt der Gebäudetypen um sieben Prozent. Im kommenden Jahr steht die EnEV 2017 ins Haus. Neubauten sollen dann nach Niedrigstenergie-Standard gebaut werden. Die neuen Standards sollen 2021 für privatwirtschaftlich genutzte Gebäude kommen, und ab 2019 für öffentliche Neubauten. Da sie als Minister auch für den Klimaschutz zuständig sind, folgende Frage an Sie:
Kann unser kleines Land das Weltklima retten, zumal die bei Neubauten erreichbaren Steigerungen der Energieeffizienz mit immer größeren Aufwänden erreichbar sind?
Niedersachsen ist wie jedes andere Land verpflichtet und gewillt seinen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Damit werden zugleich immense externe Kosten abgewendet. Dabei müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten. Gerade der Gebäudebereich bietet große Potenziale für Energieeinsparung und Energieeffizienz. Der Energieverbrauch von Gebäuden hat mit etwa 40 Prozent einen wesentlichen Anteil am gesamten Endenergieverbrauch und bietet daher für private Haushalte, Industrie und Gewerbe auch erhebliche monetäre Entlastungsmöglichkeiten. Enorme Potenziale liegen nicht nur bei innovativen Lösungen für Neubauten, sondern vor allem bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. Für qualifizierte Handwerker und Unternehmen entsteht hier zudem ein wachsendes Betätigungsfeld. Aus eigener Erfahrung kann ich zudem sagen, dass energiesparendes Bauen in der betriebswirtschaftlichen Gesamtkostenrechnung nicht teurer sein muss – im Gegenteil.

Wäre es nicht effektiver, in den Gebäudebestand zu investieren, der vielfach noch sehr wenig energieeffizient ist.
Das tun wir bereits: In Niedersachsen unterstützen wir die energetische Sanierung im Rahmen der Wohnraumförderung. Verantwortliche Wohnungspolitik bedeutet auch Klimaschutz. Deshalb fördern wir Baumaßnahmen zur Energieeinsparung in Wohngebäuden mit Priorität.
Ergänzend gibt es das Energieeffizienzdarlehen der NBank. Damit steht ein weiteres Förderangebot für die energetische Modernisierung des Wohngebäudebestands zur Verfügung. Das Programm wird sowohl von Eigenheimbesitzern als auch von Mietwohnungsunternehmen gut angenommen.

Sind die erwartbaren neuerlichen EnEV-bedingten Kostensteigerungen am Bau nicht kontraproduktiv auf dem Weg zu neuem bezahlbaren Wohnraum, den jetzt alle fordern?
Mögliche Kostensteigerungen am Bau behalten wir im Blick. Vor allem in Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten muss angesichts der auch mit der Zuwanderung weiter steigenden Nachfrage zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, um die Mietentwicklung zu dämpfen.
Die Baukostensenkungskommission im Rahmen des Bündnisses für Bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat preistreibende und überdimensionierte Standards und Kosten von Materialien und Verfahren überprüft. Die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und den Einsatz Erneuerbarer Energien tragen demnach nur unwesentlich zu den Kostensteigerungen am Bau bei. Der Abschlussbericht umfasst dafür rund 60 Empfehlungen, wie sich künftig deutlich Kosten sparen lassen und gleichzeitig nachhaltiger und lebenswerter Wohnraum entstehen kann.
Es ist daher sinnvoll, wenn sich Wohnungswirtschaft und Bauindustrie verstärkt mit Fragen der Forschung und Innovation auseinandersetzen. Mit Blick auf die von Ihnen beschriebenen Herausforderungen ist die Weiterentwicklung einer ressourcenschonenden Bauwirtschaft unerlässlich.

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