Interview mit Ulrich Kelber, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMJV

Der BVN sprach mit Kelber über Streitpunkte wie das geplante neue Anordnungsrecht von Bauherren, die Neuregelung der Abschlagszahlungen und die Handwerker-Haftung im Falle des Einbaus fehlerhafter Materialien.

Porträt: Ulrich Kelber, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMJV

Der Dipl.-Informatiker Ulrich Kelber ist seit 2013 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Hier wurde das unter Verbänden intensiv diskutierte neue Bauvertragsrecht entwickelt. Im März ist der Regierungsentwurf von der Bundesregierung beschlossen worden. Noch vor der Sommerpause soll er im Bundestag erstmals beraten werden.

Im Zuge der Reform des Bauvertragsrechtes haben Sie Ihre Zufriedenheit darüber betont, dass Bauherrn besser geschützt werden sollen. Warum sehen Sie ein besonderes Schutzbedürfnis für Immobilieneigentümer?

Das neue Gesetz zielt darauf ab, den Schutz für klassische Häuslebauer zu verbessern. Für Familien beispielsweise ist der Bau eines Hauses eine Lebensentscheidung. Für sie kann es schwerste Folgen haben, wenn sie bei der Bauausführung an einen Pfuscher oder Betrüger geraten. Das neue Gesetz wird aber auch den vielen guten Baufirmen, die sich in Deutschland für ihre Kunden engagieren, helfen.

Wie das?

Es bringt die Verpflichtung zu einer detaillierten Baubeschreibung. Gute Baufirmen haben das immer schon gemacht. Schwarze Schafe haben sich vielfach im Vagen gehalten: Dem billigen und wenig detaillierten Angebot folgten dann Nachforderungen für Arbeiten, die Bauherren zuvor für selbstverständlich gehalten hatten, die aber so nicht im nebulösen Angebot gestanden hatten. Mit solcher Bauernfängerei räumen wir auf. Und das nützt eben nicht nur den Bauherren, sondern auch den guten Betrieben in der Baubranche, die seriös anbieten und kalkulieren. Denn sie sind im Wettbewerb mit Billiganbietern, die im Nachhinein zulangen wollen, nicht länger im Nachteil.

Umstritten ist insbesondere das Gewährleistungsrecht im Gesetzentwurf, der das Kabinett im März passiert hat. Verbände meinen, dass Handwerker und Bauunternehmen nicht ausreichend vor den Ein- und Ausbaukosten geschützt sind, wenn sie ohne eigene Schuld fehlerhafte Teile von Lieferanten einbauen. Was ist mit dem Schutz dieser vielfach kleinen und mittleren Betriebe (KMU)?

Der Gesetzentwurf sieht ja explizit vor, dass diese KMU vor den Kosten für Aus- und Einbau geschützt sind, wenn sie ohne eigene Schuld ein fehlerhaftes Teil eingebaut haben. Wenn sie fehlerhafte Teile verkauft haben, müssen die Händler dann auch für die Aus- und Einbaukosten haften. Anders als in der Debatte teilweise behauptet, dürfen sie dies in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABG) auch nicht allgemein ausschließen!

Und was ist, wenn sie es in Einzelverträgen vereinbaren? Dann muss der kleine Handwerker oder Baubetrieb gute Miene zum bösen Spiel machen? Er hat oft kaum Alternativen, irgendwo anders zu kaufen.

Einzelvertraglich kann der Ausschluss in der Tat vereinbart werden. Das ist zum Beispiel bei Geschäften mit B-Ware wichtig. Wenn aber Warenanbieter solche Regelungen in ihren Verträgen standardmäßig einbauen, handelt es sich um einen AGB-Ausschluss. Entsprechende Klauseln sind unwirksam, so dass den betroffenen Unternehmen gleichwohl ein Anspruch auf Aus- und Einbaukosten zusteht.

Dann muss David also gegen Goliath klagen?

Oder ein Verband. Oder die Wettbewerbszentrale wird dann eine Klage auf Unterlassung auf den Weg bringen.

Dann nehmen Sie also in Kauf, dass diese Neuregelung sofort neuen Unfrieden programmiert?

Es ist normal, dass nach einer solchen Gesetzesnovelle eine gewisse Zeit vergehen wird, bis wir zu einer gefestigten Rechtsprechung gekommen sind. Für uns ist die Reihenfolge klar: Zunächst kommt der Bauherr; er wird sich an das ausführende Unternehmen halten. Und das Unternehmen kann nach der im Kabinettsentwurf vorgesehenen Regelung den Lieferanten in Regress nehmen: Er muss im Falle eines Materialfehlers für die Aus- und Einbaukosten geradestehen.

Und dann soll ein Fünf- oder Zehn-Mann-Unternehmen gegen einen Baustoffkonzern klagen?

Auch ein Monopolist dürfte dies in seinen AGB nicht ausschließen. Und wenn er es serienmäßig über Einzelverträge versucht, würde sich das schnell herumsprechen. Dann wäre eine Verbandsklage das Mittel der Wahl. Ich habe Verständnis für Verbände, die sich hier in einer Sandwichposition sehen. Sie hätten das Problem der Ein- und Ausbaukosten am liebsten generell über das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt gesehen. Es gibt – siehe B-Ware – aber auch Argumente, dies nicht über BGB auszuschließen. Ich gehe davon aus, dass seriöse Händler nicht versuchen werden, die Aus- und Einbaukosten auf Bau- und Handwerksunternehmen abzuwälzen.

Anfang März ist der Gesetzentwurf des BMJV beschlossen worden. Bleibt es dabei, dass es 2017 in Kraft tritt?

Die erste Behandlung des Entwurfs im Bundestag wird noch vor der Sommerpause stattfinden. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass auch der Bundestag noch einmal Fachleute dazu anhören wird. Das parlamentarische Verfahren soll nach der Sommerpause abgeschlossen werden. Nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt werden betroffene Unternehmen eine Übergangsfrist von einem halben Jahr haben. Ich bin ein Fan von Übergangsfristen, damit alle Beteiligten ausreichend Zeit haben, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen.

Die Verbände hatten sich gewünscht, die Frage der Ein- und Ausbaukosten bei Materialmängeln aus dem großen Entwurf zum Bauvertragsrecht herauszulösen und separat zu behandeln.

Der Gesetzentwurf wird in der parlamentarischen Behandlung sicher noch die eine oder andere Änderung erfahren. Nach einem Gespräch mit den Berichterstattern der Fraktion habe ich aber nicht den Eindruck, dass es zu einer solchen Thementrennung kommen wird.

Streitthema Paragraf 632a: Kleine und mittlere Bauunternehmen haben vielfach geringere Eigenkapitalquoten. Sie finanzieren Personal-, Maschinen- und Materialkosten auf der Baustelle vor. Jedes vierte Unternehmen wartet laut Creditreform bei öffentlichen Auftraggebern bis zu 90 Tage auf sein Geld. Warum erschweren Sie im neuen Bauvertragsrecht nun die Möglichkeit von Abschlagszahlungen?

Unabhängig von Creditreform und der Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber, an die sich unsere Neuregelung nicht richtet, da sie regelmäßig die VOB/B vereinbaren, meine ich, dass wir bei den Abschlagszahlungen eine gute Regelung gefunden haben. Es kann keine Rede von einer Erschwerung von Abschlagszahlungen sein. Denn wir machen diese künftig vom Wert der erbrachten Leistungen und nicht von dem häufig schwer zu ermittelnden und umstrittenen Wertzuwachs beim Besteller abhängig. Damit sind die Abschlagszahlungen für die Unternehmer leichter zu berechnen und für die Besteller leichter nachzuvollziehen.

Gerade kleinere und mittlere Bau- und Handwerksbetriebe leiden aufgrund vielfach knapper eigener Kapitaldecke besonders unter Zahlungsverzögerungen. Müssen neben den Verbrauchern nicht auch sie geschützt werden?

Gerade die von Ihnen angesprochene neue Fassung der Regelung zu den Abschlagszahlungen (Paragraf 632a Absatz 1 BGB-E) soll solche Zahlungsverzögerungen vermeiden. Bisher wird auf den vom Besteller erlangten Wertzuwachs abgestellt, dessen Höhe zwischen den Parteien häufig umstritten ist. Entsteht ein Streit über den Wertzuwachs beim Besteller und bedarf es gegebenenfalls noch sachverständiger Hilfe zur Feststellung des Wertzuwachses, verhindert die derzeitige Ausgestaltung der Vorschrift, dass der vorleistende Unternehmer zeitnah Abschlagszahlungen für seine erbrachten Leistungen erhält. Hierdurch kann es zu erheblichen Liquiditätsstockungen bei den Unternehmen kommen.

Bis dato muss die Abschlagszahlung auch bei unwesentlichen Mängeln in voller Höhe getätigt werden. Sie wollen diesen Passus streichen. Das ist eine Verschlechterung zu Lasten der Unternehmen. Öffnet das nicht Tür und Tor für Querulanten unter den Auftraggebern?

Diese Streichung bedeutet keine Verschlechterung zu Lasten der Unternehmer. Vielmehr führt sie zu einer Verbesserung der Rechtslage zugunsten der Unternehmer. Denn bisher folgte aus diesem Passus, dass der Besteller bei Vorliegen wesentlicher Mängel die Abschlagszahlung insgesamt verweigern konnte. Aufgrund der Streichung ist dies künftig nicht mehr möglich. Der Besteller kann nur noch die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern – in der Regel in Höhe des Doppelten der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten.

Das hat aber zur Folge, dass KMUs ohne Rechtsabteilung erst einmal vor den Kadi ziehen müssen...

Das ist übrigens bisher auch schon so, wenn es um die Frage geht, ob ein Mangel unwesentlich oder wesentlich ist. Insofern ändert unsere Neuregelung die Lage nicht grundsätzlich. Eines wird aber künftig von vorneherein klar sein: Wer die Zahlung eines vereinbarten Abschlages unter Berufung auf einen Mangel komplett verweigert, hat keinerlei Aussicht, vor Gericht Recht zu bekommen. Beim Verbraucherbauvertrag kommt hinzu, dass wir es mit privaten Bauherren zu tun haben. Ich glaube nicht, dass es hier viele Querulanten gibt. In der Regel liegt die Fachkenntnis hier auf Seiten des Leistungserbringers. Dieser sitzt damit am stärkeren Hebel. Ich gehe aber davon aus, dass beide Regierungsfraktionen im weiteren Verfahren auch noch einmal Vertreter der Leistungserbringer einladen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass seit April 2016 ein neues Gesetz zur Streitbeilegung in Kraft getreten ist. Es soll über den schnelleren Weg der Schlichtung Gerichtsverfahren vermeiden.

Ein weiteres Debattenthema ist das Anordnungsrecht des Bauherrn. Er soll in der gesamten Bauphase seine Wünsche gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Pflichtenheft verändern können. Wie sollen Unternehmen da noch planen können?

Den berechtigten Belangen der Unternehmer wird beim Anordnungsrecht des Bestellers dadurch Rechnung getragen, dass wir die Parteien dazu anhalten, bei Änderungswünschen einvernehmliche Lösungen zu suchen und dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nicht uneingeschränkt besteht, sondern nur unter der Voraussetzung der Zumutbarkeit für den Unternehmer. Anordnungen, die den Unternehmer und seinen Betrieb überfordern, kann dieser ablehnen.

In welchen konkreten Fällen wäre dies möglich?

Die Fülle von Auftraggeber-Wünschen darf nicht ein solches Ausmaß annehmen, dass das Unternehmen einen Folgeauftrag nicht mehr erreichen kann. Der Leistungserbringer kann nach unserer Nachbesserung beim Anordnungsrecht eine gewünschte geänderte Leistung auch verweigern, wenn sein Betrieb nicht auf diese Leistung eingestellt ist. Wenn ein Kunde aber ein Fenster an anderer Stelle haben möchte, so muss dies aus unserer Sicht möglich sein. Ein Bauherr darf hier aus unserer Sicht nicht allein auf den „Good Will“ des Leistungserbringers angewiesen sein und soll auch nicht jeden geforderten Preis akzeptieren müssen.

Nehmen wir ein Beispiel, den der bisherige Gesetzentwurf zum Bauvertragsrecht bis dato nicht klärt: Ein Bauherr will in einem ursprünglich mit Satteldach geplanten Haus plötzlich ein Walmdach haben. Der Bauunternehmer unterbreitet ein Angebot, der Bauherr reagiert nicht darauf. Dennoch müsste der Bauunternehmer nach unserer Lesart der Anordnung des Bauherrn folgen. Wie beurteilen Sie diesen Fall?

Im Regierungsentwurf wurde das Anordnungsrecht des Bestellers umgestaltet, um einvernehmliche Lösungen bei Änderungswünschen des Bestellers zu fördern. In dem von Ihnen genannten Beispielsfall würde der Besteller seinen Änderungswunsch (Walmdach statt Satteldach) äußern, der Unternehmer wäre – wenn ihm die Änderung zumutbar ist – daraufhin verpflichtet, ein Angebot über die Kosten der geänderten Leistung zu unterbreiten. Erst wenn es nicht zu einer Einigung der Vertragspartner auf der Grundlage des Angebots kommt, könnte der Besteller die andere Dachform einseitig anordnen. Er müsste dies aber ausdrücklich tun. Durch schlichtes Schweigen des Bestellers auf das Angebot käme es nicht zu einer den Unternehmer verpflichtenden Anordnung. Bei Schweigen des Bestellers wäre auf der Grundlage der ursprünglichen Planung weiterzubauen.

Reizthema Widerrufsrecht: Müssen Bauhandwerker und Bauunternehmer sich bei Kunden generell Widerrufsbelehrungen unterzeichnen lassen? Was ist mit Leistungen, die nicht mehr zurückgenommen werden können? Zum Beispiel das Aufstellen einer Trocknungsmaschine?

Das Widerrufsrecht ist nur für Bauverträge von Unternehmern mit Verbrauchern vorgesehen. Bei solchen Verbraucherbauverträgen ist der Unternehmer künftig verpflichtet, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Für Leistungen, die nicht mehr zurückgenommen werden können, ist im Entwurf vorgesehen, dass der Verbraucher im Fall des Widerrufs Wertersatz zu leisten hat. Diese Pflicht zum Wertersatz ist unabhängig von der zutreffenden Belehrung oder einer Unterschrift des Verbrauchers.

Wie kann eine solche Formulierung aussehen, damit der Unternehmer am Ende nicht auf seinen Kosten sitzen bleibt?

Vollständig auf seinen Kosten bleibt der Unternehmer aus den vorgenannten Gründen nie sitzen, aber es ist natürlich für ihn besser, nicht nur einen Wertersatzanspruch, sondern einen Vergütungsanspruch zu haben. Damit der Unternehmer seinen Vergütungsanspruch nicht infolge einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung verliert, die dem Verbraucher einen Widerruf auch noch nach längerer Zeit ermöglicht, enthält der Gesetzentwurf eine Musterwiderrufsbelehrung, die es dem Bauunternehmer erleichtert, den gesetzlichen Anforderungen an die Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht zu genügen.

Das ist natürlich wieder ein Stück mehr Bürokratie.

Ich verstehe, dass der Handwerker, der seine Kunden vor Ort vielfach bereits kennt, über die Auswirkungen unserer Regelung frustriert ist. Aber wir leben in einer globalisierten Welt, in der an vielen anderen Stellen unseriöse Anbieter aktiv sind, zum Beispiel auch im Netz. Dafür brauchen wir das Widerrufsrecht.

 

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