Bei den Bauinvestitionen droht Stopp & Go.

Interview mit dem Präsidenten des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Dr.-Ing. Hans-Hartwig, Loewenstein über Bauinvestitionen.

 

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Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, hat im Interview mit der Zeitschrift „DIE BAUSTELLE“ (siehe Ausgabe Nummer 2  Februar 2014), betont, dass die Rentenbeschlüsse der Großen Koalition gerade kleine und mittlere Baubetriebe besonders hart treffen. Hat er Recht?
Die Rentenbeschlüsse der Großen Koalition treffen die Baubranche gleich aus mehreren Gründen besonders hart. Zum einen ist gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen der Personalkostenanteil besonders hoch. Und damit belasten Beitragserhöhungen oder fehlende Beitragssatzentlastungen, die ohne Rentengeschenke eigentlich möglich gewesen wären, gerade kleine und mittlere Bauunternehmen besonders. Und zum anderen wird hier ein neuer Anreiz zur Frühverrentung gesetzt, der das Fachkräfteproblem in der Bauwirtschaft zusätzlich verschärft. Denn wir haben hier einen hohen Anteil älterer gewerblicher Arbeitnehmer.

Sozialministerin Andrea Nahles argumentiert, dass Menschen nach 45 Jahren in Rente gehen können sollen.

Wir haben am Bau durchaus Möglichkeiten, diesen Menschen Arbeitsplätze anzubieten, die ihren gewandelten Fähigkeiten entsprechen. Wir brauchen ihre Erfahrung in den Unternehmen. Ein Weiteres: Auch wenn die Politik dies leugnet, werden die aktuellen Rentengeschenke über kurz oder lang Beitragssatzerhöhungen bringen. Und das wird den Unternehmen noch einmal zusätzlich Liquidität rauben. Bereits 2006 hat der Staat  die Vorfälligkeit für Sozialversicherungsbeiträge eingeführt. Den Betrieben fehlen dadurch bundesweit Gelder in Milliardenhöhe, um laufende Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. Diese Vorfälligkeit muss in Anbetracht der derzeit guten Liquidität der Sozialkassen unbedingt rückgängig gemacht werden, zumal deren Einführung unter diesem Aspekt erfolgte! Damit würde Ministerin Andrea Nahles etwas für die Bauwirtschaft und deren Arbeitsplätze tun. Doch sie verwendet das Plus in der Kasse lieber für Rentengeschenke mit mehr als fragwürdigem Effekt. Ich kann mich nur wundern, wieso die Politik so kurz nach der zurückliegenden schweren Krise wieder so konsumtive Pfade einschlägt. Das ist kein solides Vorgehen. Das ist eine populistische Politik wider besseres Wissen.

Und welche Forderung haben Sie noch an die neue Bundesregierung?
Ein Ärgernis ist die zunehmend schlechte Zahlungsmoral der Öffentlichen Hand. Das kann insbesondere für Unternehmen, die der Soll-Umsatzbesteuerung unterliegen, ruinös sein. Denn sie müssen die Umsatzsteuer im Rechnungsmonat abführen, erhalten aber möglicherweise erst nach Monaten, schlimmstenfalls nach Jahren, ihr Geld. Vereinfacht ausgedrückt: Der Finanzminister kassiert sofort 19 Prozent der Rechnungssumme, der Bauminister zahlt aber erst nach Monaten. So arbeiten sich Bauunternehmen für den Staat arm. Ich fordere, dass die Mehrwertsteuer bei öffentlichen Aufträgen ausschließlich nach der Ist-Versteuerung abgeführt wird – und zwar unabhängig von der Umsatzgröße.

Wie kommt es zu diesen Zahlungsverzügen bei öffentlichen Auftraggebern?
Es haben sich im öffentlichen Dienst Ängste breitgemacht, dass gleichsam jeder Zahlung an ein Wirtschaftsunternehmen der Verdacht der Untreue anhaftet. Dann zahlt man im Zweifelsfall lieber nicht und verweist auf den Rechtsweg. Doch solche Gerichtsverfahren in Bausachen können fünf oder gar zehn Jahre dauern. Zahlungsverzug wird im öffentlichen Sektor bisweilen sogar vorsätzlich als Waffe gegen die Baubranche eingesetzt, in der Hoffnung, dass der Insolvenzverwalter die Forderung später fallen lässt.

Was tun?
Wir brauchen Gesetze, die jahrelange Zahlungsverzögerungen zu Lasten der Bauwirtschaft verhindert. Wenn es Differenzen über die Bauausführung gibt, können diese zeitnah über eine neutrale Schiedsstelle geklärt werden, damit der Weg für eine zeitgerechte Zahlung frei wird. Fachleute nennen dieses Verfahren Adjudikation. Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hält das in einem Gutachten für verfassungsgemäß. Öffentlichen Auftraggebern steht dann ja immer noch der Rechtsweg offen, um sich Geld zurückzuholen. Die bisherige Praxis des Staates sowie staatsnaher Bereiche ist nicht hinnehmbar. So hat die deutsche Bauwirtschaft rund anderthalb Milliarden Euro an älteren Forderungen an die Bahn. Es kann aber nicht sein, dass die Bauwirtschaft zur Bank mit Zinsstundung für den Bund wird!

Thema Mindestlohn: Die Bauwirtschaft zahlt höhere Tariflöhne als die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro der Großen Koalition. Wo liegt für Sie das Problem?
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass für die Bauwirtschaft kein Problem vorliegt. Wichtig ist uns, dass das, was die Sozialpartner am Bau im Konsens vereinbaren, über kurz oder lang nicht durch einen staatlichen Bürstenschnitt ersetzt wird. Das Hauptproblem sehe ich aber in einem massiven staatlichen Vollzugsdefizit. Denn wir haben im Bausektor ja bereits Lohnuntergrenzen. Es reicht aber nicht aus, gesetzliche Regelungen über Lohnuntergrenzen zum Schutz vor illegaler Konkurrenz ins Bundesgesetzblatt zu schreiben. Das Hauptproblem ist, dass diese Gesetze leider nur völlig unzureichend vollzogen werden. Hier bestehen gewaltige Defizite.

Was verlangen Sie von der Politik?
Die Bundesregierung muss einen Ausweis einführen, den jeder Mitarbeiter auf einer Baustelle bei sich zu führen hat. Bei Kontrollen muss sich schon vor Ort auslesen lassen, ob der Arbeitnehmer und seine Arbeitgeber alle Verpflichtungen erfüllen, also legal arbeiten und ordentlich Steuern und Sozialbeiträge abführen. Doch hier waren wir bisher mit Datenschutzbedenken der Politik konfrontiert. Aber anders werden wir das Problem der schwarzen Märkte auf dem Bau nicht in den Griff bekommen!

Wird sich das Problem mit wachsender Zuwanderung aus Südosteuropa verschärfen?
Wir haben bereits jetzt große Probleme mit Scheinselbstständigkeit und Scheinentsendungen. Diese können noch wachsen. Dabei treten zum Beispiel ganze Fliesenlegerkolonnen auf. Jeder behauptet, selbstständiger und sozialversicherungsfreier Unternehmer zu sein. Wir stehen für Unternehmen, die lokal eingebunden sind und ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und dem Staat erfüllen, sie zahlen Sozialabgaben und Steuern und achten das Arbeitsrecht. Daher hat der Staat die Pflicht, sie vor schwarzer Dumping-Konkurrenz aus dem In- und Ausland wirksam zu schützen und dafür zu sorgen, dass sich alle an die Regeln halten, die in Deutschland gelten sollen. Er tut dies bei weitem nicht ausreichend, und das ist Doping für die Billigkonkurrenz. Und Europa hilft dabei kräftig mit. Das alles hat zu einer wachsenden Inländerdiskriminierung geführt. Statt populistisch neue Gesetze zu formulieren, um Wählern gefällig zu sein, muss diese Bundesregierung dafür sorgen, dass bestehendes Recht auch durchgesetzt wird. Personaleinsparungen im Gesetzesvollzug müssen zurückgenommen werden. Das gebietet übrigens auch der Verbraucherschutz im Bauwesen.

Was fordern Sie, damit das auch durchgesetzt wird?
Zunächst einmal muss die so genannte Novellierung der Handwerksordnung aus dem Jahr 2004 in ihren Folgen evaluiert werden. Inwieweit ist hier der Wegfall von Qualifikationsnachweisen zum Einfallstor für Pfusch am Bau und Abgabenbetrug geworden? Eine solche Evaluation wäre auch wichtig als Argumentationshilfe gegenüber der EU, um zu begründen, wieso nicht jeder aus Europa, der sich Maurer nennt, auch nach deutschen Standards mauern kann. Der neue Bundeswirtschaftsminister muss dieses Thema aufgreifen und die Evaluierung der Novellierung der Handwerksordnung auf den Weg bringen

Sie haben sich in der IW-Verbandsumfrage verhalten optimistisch gezeigt, was den Ausblick 2014 angeht. Halten Sie an dieser Sichtweise fest?
Wir gehen nominal von leichten Umsatzzuwächsen aus und glauben, dass wir unsere Beschäftigtenzahl halten können, wobei hier natürlich mit regionalen und gewerkspezifischen Abweichungen zu rechnen ist. Mittelfristig gibt es jedoch gewaltige Gefährdungen. In Europa: Wir müssen eine Abwärtsspirale im Sozial- und Arbeitsrecht sowie bei der Bauqualität verhindern! In Deutschland: Bei den Bauinvestitionen droht Stopp & Go. Wir haben für die Bundesverkehrswege in der Legislaturperiode zwar 5 Milliarden Euro mehr im Haushalt. Da diese aber unter Haushaltsvorbehalt stehen, haben unsere Bauunternehmen derzeit keine Planungssicherheit. Das Problem mit der Liquidität habe ich bereits angesprochen.

Wie kommentieren Sie die Mietbremse?
Das ist ein planwirtschaftlicher Eingriff in den Wohnungsmarkt. So wird die Wohnungsnot in den Ballungsgebieten sicher nicht überwunden! Der Rückstand bei der Schaffung insbesondere von altersgerechtem Wohnraum und auch bei der Energieeinsparung wird sich dadurch noch vergrößern. Die notwendige Überarbeitung ganzer Stadtquartiere wird dadurch verzögert oder ganz verhindert. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil viele Anleger im Zinstief händeringend nach Möglichkeiten suchen, wie sie ihr Geld anlegen können: Darin lägen viele Chancen auch für das Baugewerbe und die dort Beschäftigten. Es wäre doch gut, wenn dieses Geld hier bliebe, statt in Schwellenländern angelegt zu werden. Dazu kommt: Jede Deckelung im Mietpreisgefüge führt sofort zu Schwarzmarkt. Bei begehrten Wohnungen wird dann eben die marode Küche für 30.000 Euro verkauft. Die Mietbremse ist blanker Populismus. Sie ist der Sache nicht dienlich oder kurz: Blödsinn.

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