Interview mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies

Zum Jahresbeginn und mit Blick auf den Start der neuen Regierungskoalition hat der BVN ein Interview mit Wirtschaftsminister Olaf Lies geführt. Lies sieht gute Aussichten für das niedersächsische Baugewerbe.

Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister Lies war auch an den Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition in Berlin als Mitglied der Arbeitsgruppe Verkehr/Infrastruktur/Bauen beteiligt.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat aktuell bundesweit für die Bauwirtschaft einen Zuwachs von real 4 Prozent prognostiziert. Nach einer Stagnation im Jahr 2013 wäre das ein starker Auftrieb. Teilen Sie den Optimismus der DIW-Forscher?

Grundsätzlich ja. Die aktuelle Auftragslage und die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen geben Anlass zur Zuversicht.

 Auf welche Wachstumstreiber kann die Bauwirtschaft in Niedersachsen insgesamt setzen?

Im Bereich Hochbau wird das nach wie vor äußerst attraktive Zinsniveau sicher Impulse für den Wohnungsbau in Niedersachsen geben. Dasselbe gilt auch für Investitionen im Bestand. Gerade auf dem Feld der energetischen Sanierung sehe ich noch ganz viele Möglichkeiten.

Und der Tiefbau?

Viele Verkehrsprojekte sind in Niedersachsen bis zur Baureife durchgeplant. Meist fehlt noch das endgültige Startsignal vom Bund, zum Beispiel für das Projekt B 3 in Hemmingen bei Hannover. Bei den Haushaltsberatungen hat die neue Landesregierung entschieden, zusätzlich in den Erhalt unserer Landesstraßen und in den Radwegebau zu investieren. In ihrer mittelfristigen Finanzplanung hatte die alte Landesregierung dies übrigens anders vorgesehen. Ich halte diese Investitionen für dringend erforderlich. Dass die niedersächsische Bauwirtschaft davon profitieren wird, ist sehr erfreulich. Zusätzlich hat sich die Finanzlage in vielen Kommunen verbessert. Wir gehen davon aus, dass deshalb auch die Kreise, Städte und Gemeinden mehr in die Verkehrsinfrastruktur investieren können.

Allgemein ist die Rede davon, dass Geld für die Infrastruktur fehlt. Haben Sie einen Vorschlag, wie man mehr Geld für die Infrastruktur freimachen kann?

Von der PKW-Maut halte ich nach wie vor nichts. Ich glaube nicht daran, dass die im Koalitionsvertrag aufgebauten Hürden genommen werden. Es soll ja so sein, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden und das Vorhaben gleichzeitig mit EU-Recht konform geht. Beides zusammen wird nicht gehen. Wir können ja gar nicht alle Fahrzeughalter über die KFZ-Steuer entlasten, wie es sein müsste. Was ist zum Beispiel mit den Haltern von E-Fahrzeugen, die gar keine Steuern zahlen? Darüber hinaus würde am Ende eine solche PKW-Maut kaum etwas zur Finanzierung unserer Straßen beitragen können. Viel wichtiger ist die Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen, die wir in Berlin vereinbart haben. Damit werden zusätzliche Einnahmen generiert und gleichzeitig wird der Ausweichverkehr zurück gedrängt.  Ich war ja bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin unter anderem in der Arbeitsgruppe Verkehr/Infrastruktur/Bauen beteiligt. Es herrschte erfreulicherweise bei ganz vielen Themen Einigkeit – der Streit um die PKW-Maut hat dies überlagert. Wir sind uns einig, dass sehr viel mehr Geld in den Erhalt der Infrastruktur investiert werden muss, weil wir zu lange von der Substanz gelebt haben, was sich jetzt rächt. Das Ganze soll in den nächsten Jahren über eine Fondlösung verlässlich finanziert werden.

Wie kann man sicherstellen, dass dieses Geld auch bei der niedersächsischen Bauwirtschaft ankommt?

Wir müssen für unsere niedersächsischen Projekte kämpfen, und das werden wir auch tun. Ich habe ja nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich den Bau der A 20 will und auch den Bau der A 39. Diese Projekte sind für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet, wir treiben die Planungen weiter voran. Hier reden wir von Milliardeninvestitionen, insbesondere die A 20 hat nicht nur regionale oder deutschlandweite, sondern europaweite Bedeutung. Das muss bei diesem sehr kostenintensiven Projekt berücksichtigt werden. Die Ausgaben für die A 20 müssen vor die Klammer gezogen werden. Wir haben uns in Berlin ja auch darauf verständigt, in Verkehrsachsen zu denken – und das Geld nicht mehr allein nach Länderproporz zu verteilen. So muss es ja auch sein. Es darf nicht so kommen, dass wir in Niedersachsen keine einzige Umgehungsstraße mehr realisieren können, weil die A 20 finanziert werden muss. Wir in Niedersachsen investieren besonders viel in die Planung, um für den Fall gerüstet zu sein, dass es vom Bund kurzfristige Finanzierungsmöglichkeiten gibt.

Infrastrukturerneuerung: Was müsste aus niedersächsischer Sicht zu allererst  angepackt werden?

Ein wichtiges Stichwort ist die Hafenhinterlandanbindung. Der Gütertransport wird immer mehr zunehmen, wir müssen gemeinsam den Verkehrsträger Schiene in die Lage versetzen, sehr viel davon aufzunehmen. Deshalb müssen unsere Häfen, die Dreh- und Angelpunkt für Import und Export sind, optimal an das Schienennetz angebunden werden. Gelingt das nicht, werden unsere Straßen zusätzlich mit Güterverkehren belastet, das können wir nicht wollen. Wir stehen insgesamt vor großen verkehrspolitischen Herausforderungen in Niedersachsen.

Nicht nur zwischen Bundesländern sondern auch zwischen vielen Kommunen gibt es ein Süd-Nord-Gefälle. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert mehr Solidarität von den Kommunen. Wäre ein Kommunaler Solizuschlag z. B. von Süden nach Norden ein geeignetes Mittel, um die Rolle von Kommunen als öffentliche Auftraggeber zu stärken und neue Mittel für Sanierung und Bau in allen Regionen Deutschlands zu mobilisieren?

Einen kommunalen Soli sehe ich nicht. Ich setze eher auf eine Neuregelung beim Länderfinanzausgleich ab 2019, auf eine Neuregelung in den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und letztlich auch auf Veränderungen beim jetzigen Solidaritätszuschlag. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten wir nicht mehr nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedarfen fördern. Die neuen Länder haben heute gegenüber den alten vielfach einen Vorsprung, wenn es um die Modernität der Infrastruktur geht.   

In den Verhandlungen zur Großen Koalition ist ein Mindestlohn beschlossen worden. (Wie) kann eine Lohnuntergrenze der niedersächsischen Bauwirtschaft helfen?

Große Bereiche der Bauwirtschaft sind durch allgemeinverbindliche Tariflöhne nach dem Entsendegesetz geprägt. Diese liegen schon heute deutlich über den vereinbarten 8,50 Euro. Ich sehe nicht, dass der Mindestlohn die Baupreise nach oben treiben wird. Um Mindestlöhne auch am Bau überall wirklich durchzusetzen, wird die Finanzkontrolle Schwarzarbeitsbekämpfung aber intensiver kontrollieren müssen als bisher.

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