Arbeit und Soziales

EU-Rat einigt sich auf Praktikumsrichtlinie

Arbeitgeber befürchten hohen Aufwand und Rechtsunsicherheit durch neue Regelungen

Am 19. Juni 2025 stimmte der Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik (EPSCO) knapp für eine EU-Praktikumsrichtlinie, die faire Bedingungen für Berufseinsteiger schaffen soll. Die Bundesregierung hat sich Berichten zufolge gegen die Allgemeine Ausrichtung ausgesprochen.

 

Sinn und Zweck der Richtlinie

Die Europäische Kommission verfolgt mit der Praktikumsrichtlinie das Ziel, faire Bedingungen für junge Menschen beim Berufseinstieg zu schaffen. Praktika gelten als wichtige Brücke zwischen Ausbildung und Erwerbsleben – doch in der Praxis werden sie teils missbräuchlich eingesetzt. So gibt es Fälle, in denen Praktikanten reguläre Arbeit verrichten, ohne dafür ein entsprechendes Arbeitsverhältnis oder eine angemessene Vergütung zu erhalten.

Die Richtlinie soll dem entgegenwirken, indem sie europaweit klare Mindeststandards für Praktikumsverhältnisse schafft und sicherstellt, dass der Ausbildungscharakter eines Praktikums im Vordergrund steht. Besonders im Fokus stehen dabei unbezahlte oder langfristige Praktika, bei denen der Qualifizierungszweck nur vorgeschoben wird. Gleichzeitig sollen junge Menschen besseren Zugang zu rechtlichem Schutz erhalten, wenn ihre Rechte verletzt werden.

Was ist geplant?

Die Richtlinie verfolgt einen doppelten Anwendungsbereich:

  • Zum einen soll sie für Praktikanten gelten, die in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des jeweiligen nationalen Rechts stehen – mit Ausnahme von Pflichtpraktika (z. B. im Rahmen von Ausbildungsgängen) oder Praktika im Rahmen aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen.
  • Zum anderen soll die Richtlinie auf alle Personen Anwendung finden, die sich in einem Scheinpraktikum befinden, also einem de facto Beschäftigungsverhältnis, das nur formal als Praktikum bezeichnet wird.

Ein Scheinpraktikum liegt demnach dann vor, wenn keine wesentliche Lern- oder Ausbildungskomponente besteht und die Tätigkeit in Art und Umfang der Arbeit regulärer Beschäftigter entspricht. Welche Kriterien dabei konkret anzuwenden sind, obliegt den Mitgliedstaaten.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

  • Arbeitgeber müssen künftig auf Aufforderung Informationen bereitstellen, die geeignet sind, ein echtes Praktikum von einem Arbeitsverhältnis abzugrenzen.
  • Praktikanten erhalten europaweit Zugang zu Rechtsbehelfen und Streitbeilegungsverfahren – auch nach Ende des Praktikumsverhältnisses. Zudem können Arbeitnehmervertreter im Namen der Praktikanten klagen.
  • Arbeitgeber sind in der Pflicht, den Charakter des Praktikums nachzuweisen – ein hoher Aufwand, insbesondere bei kurzfristigen oder freiwilligen Praktika.

Bewertung aus Arbeitgebersicht

Der Rat hat den Kommissionsvorschlag an einigen Stellen nachgebessert, etwa durch die klarere Abgrenzung zwischen Pflichtpraktika und freiwilligen Praktika sowie durch die Betonung nationaler Zuständigkeiten. Dennoch bleibt die Kritik bestehen:

  • Praktika werden durch die neuen Vorgaben administrativ deutlich aufwendiger. Unternehmen könnten künftig weniger Praktikumsplätze anbieten, was den Berufseinstieg für junge Menschen erschwert.
  • Ob ein Praktikum als solches oder als Scheinpraktikum gilt, lässt sich im Einzelfall oft schwer abgrenzen – Unsicherheiten bei Betriebsprüfungen sind vorprogrammiert.
  • Die in Deutschland bereits bestehenden arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen für Praktikanten werden durch die Richtlinie nicht gestärkt, sondern nur verdoppelt.

Wie geht es weiter?

Mit der Allgemeinen Ausrichtung hat der Rat sein Verhandlungsmandat für die Trilogverhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission beschlossen. Das Parlament muss allerdings zunächst seinen Bericht fertigstellen – ein Beginn der Trilogverhandlungen wird nicht vor Herbst 2025 erwartet.

Wir halten Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.

 

Registrierte Mitglieder erhalten Zugriff auf detaillierte Informationen und Dokumente.

Eingeloggt bleiben

Als registriertes Mitglied des BVN stehen Ihnen weitere Informationen und Downloads zur Verfügung.