Baugewerbe einigt sich auf neuen Tarifvertrag
Nach fast viermonatigen Verhandlungen, welche durch Arbeitskämpfe unterbrochen wurden, haben sich die Tarifpartner auf eine Entgelterhöhung für die Beschäftigten in der Bauwirtschaft geeinigt.
Seit dem 14. Juni 2024 nach 14:00 Uhr besteht endlich Gewissheit: Der Tarifstreit ist beendet! Die Beschäftigten und die Bauarbeitgeber können sich ab sofort wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Die tarifliche Einigung bietet für sämtliche Beteiligten Planungssicherheit. Ein im Zuge eines Spitzengesprächs am 28. Mai 2024 entwickelter Tarifvorschlag, an dem Vertreter der Tarifpartner teilgenommen haben, wurde von der IG BAU bereits am 06. Juni 2024 und von der Arbeitgeberseite bis zum 14. Juni 2024 angenommen, so dass dieser inzwischen rechtsverbindlich ist.
Inhalt des Tarifvorschlages
Der von allen Tarifpartnern angenommene Tarifvorschlag sieht eine Steigerung der Löhne und Gehälter sowie der Ausbildungsvergütung vor. Darüber hinaus enthält die Einigung eine Verhandlungsverpflichtung für einen Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung. Weiterhin haben sich die Tarifparteien auf ein Maßregelungsverbot geeinigt. Das Ergebnis im Einzelnen:
Lohn und Gehalt:
Stufe 1 ab 1. Mai 2024: Erhöhung der Löhne (Ausnahme L1 Ost und West) und Gehälter um
- 1,2 Prozent im Westen,
- 2,2 Prozent im Osten
- zuzüglich eines tabellenwirksamen Festbetrages von 230,00 Euro monatlich.
- Die LG 1 wird in Ost und West einheitlich um 2,2 Prozent zuzüglich eines tabellenwirksamen Festbetrages von 230,00 Euro monatlich erhöht.
Stufe 2 ab 1. April 2025: Erhöhung der Löhne und Gehälter (Ausnahme L1 Ost und West) um
- 4,2 Prozent im Westen,
- 5,0 Prozent im Osten.
- Erhöhung der L1 Ost und West um 5,0 Prozent.
Stufe 3 ab 1. April 2026: Erhöhung der Löhne und Gehälter im Westen um 3,9 Prozent, Angleichung der Tabellenwerte Ost an West.
Der in der ersten Stufe neben einer prozentualen Erhöhung der Vergütung enthaltende „tabellenwirksame Festbetrag in Höhe von einheitlich 230 Euro pro Monat“ ist erläuterungsbedürftig.
Der Begriff „Tabellenwirksamkeit“ bedeutet, dass der Betrag in der Entgelttabelle hinterlegt wird und an den nächsten Tariferhöhungen teilnimmt. Aufgrund dessen werden die 230 Euro auch nicht als monatlicher Festbetrag wiederkehrend in der Entgeltabrechnung ausgewiesen, sondern bei gewerblichen Arbeitnehmern auf den Stundenlohn heruntergerechnet. Dieser Betrag findet Eingang in die Entgelttabelle und wird in den Tariflohn hinterlegt.
Ausbildungsvergütungen:
Die Ausbildungsvergütungen erhöhen sich beginnend seit dem 01. Mai 2024 wie folgt:
Ab dem 01. April 2026 wird Ausbildungsvergütung im Westen um 3,9 Prozent erhöht und es erfolgt eine Angleichung des Osttarifs an den Westtarif.
Laufzeit:
Die Laufzeit des Lohn- und Gehaltsabschlusses beträgt drei Jahre, nämlich vom 01. April 2024 und ist erstmals mit einer Frist von zwei Monaten zum 31. März .2027 kündbar. Der April 2024 gilt als Nullmonat.
Weitere Bestandteile der Tarifeinigung:
Neben der Vergütungssteigerung haben sich die Tarifpartner darauf verständigt, in Verhandlungen zum Abschluss eines Tarifvertrages zur Entgeltumwandlung einzutreten. Erklärtes Ziel eines solchen Tarifvertrages soll es sein, dass die Arbeitnehmer einen Teil ihrer tariflichen Vergütung für die Mobilität (Jobrad) oder die soziale Absicherung verwenden können.
Weiter wurde ein tarifliches Maßregelungsverbot vereinbart. Dies ist bei einer Tarifeinigung nach Arbeitskämpfen üblich. Das Maßregelungsverbot regelt unter anderem die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter zu unveränderten Bedingungen und Rückgängigmachung beziehungsweise Unterlassen arbeitsrechtlicher Sanktionen wie zum Beispiel Abmahnungen. Für Urlaubs- und Urlaubsvergütungsansprüche werden Streiktage wie Arbeitstage behandelt, entsprechende Nachmeldungen der durch den Arbeitskampf ausgefallenen Stunden sind daher von den Arbeitgebern an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft vorzunehmen und der Urlaubskassenbeitrag entsprechend zu entrichten.
Steiniger Weg bis zur Einigung
Vorausgegangen war dem hier dargelegten endgültigen Abschluss die Forderung der IG BAU, jeder Arbeitnehmer sollte pro Monat 500 Euro mehr erhalten und die Laufzeit solle auf nur ein Jahr beschränkt sein. Diese Forderung war für die Arbeitgeberseite in Anbetracht der aktuellen konjunkturellen Lage gerade im Bereich des privaten Wohnungsbaus in keiner Weise nachzuvollziehen. Die Gewerkschaft ist in drei Verhandlungsrunden am 22. Februar, 05.März sowie 09. April 2024 nicht von ihrer Ausgangsforderung abgewichen. Es wurde seitens der IG BAU das Scheitern der Tarifverhandlungen erklärt, woraufhin die Schlichtungsstelle angerufen wurde. Diese tagte am 18./19. April 2024 unter Vorsitz von Prof. Dr. Schlegel, welche mit einem unabgestimmten Schlichterspruch endete, der neben der pauschalen Erhöhung der Vergütung der Beschäftigten in Höhe von 250 Euro ab dem 01. Mai.2024 sowie einer weiteren Entgelterhöhung im Tarifgebiet West um 4,15 Prozent und 4,95 Prozent im Tarifgebiet Ost beginnend ab dem 01. April 2025 auch eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung vorsah, die zu unstimmigen Ergebnissen geführt hätten (beispielsweise durch eine höhere Vergütung für kaufmännisch-technische Auszubildende im Osten im ersten Ausbildungsjahr gegenüber dem 2. Ausbildungsjahr). Als Laufzeit sah der Schlichterspruch zwei Jahre vor (01. April 2024 bis zum 31. März 2026).
Unter anderem auch wegen der in dem Schlichterspruch enthaltenden Strukturfehler hatte die Arbeitgeberseite am 02. Mai 2024 den Schlichterspruch abgelehnt.
Arbeitskämpfe
Der Ablehnung des Schlichterspruchs durch die Bauarbeitgeber folgte eine Umsetzung der Drohungen der IG BAU in Form von bundesweiten Arbeitskämpfen. Der Mai 2024 war geprägt von Streiks unterschiedlichster Intensität. Die Arbeitgeberseite hatte ihren Willen zur Einigung in diesem Tarifstreik dadurch Nachdruck verliehen, indem viele Baubetriebe eine von dem Verband Baugewerblicher Unternehmer (VBU) vorgeschlagene Tarifempfehlung umsetzten. Ohne dass eine Tarifeinigung vorhanden war, haben die Arbeitgeber die Vergütung um 5Prozent erhöht. Im Hintergrund liefen die Gespräche zwischen den Tarifparteien weiter, welche letztlich zu dem hier dargestellten Tarifergebnis führten.
Resümee
Das niedersächsische Baugewerbe hat den Willen zur Einigung der Beteiligten stets forciert, um schnellstmöglich für die Beschäftigten und die Betriebe Klarheit zu schaffen. Das Tarifergebnis enthält zwar eine Steigerung der Entgelthöhe, die in keiner Weise mit der aktuellen Auftragslage im privaten Wohnungsbau und anderen Bereichen der Baubranche in Einklang zu bringen ist. Jedoch wurde mit dem Tarifvorschlag die in unseren Augen bestandenen gesetzeswidrigen Fehler des Schlichterspruchs beseitigt und die Ausbildungsvergütung angemessen erhöht, um die Attraktivität des Bauberufes zu steigern. Sowohl für die Beschäftigten als auch für die Arbeitgeber ist die dreijährige Laufzeit ein nicht unerheblicher Bestandteil des Gesamtpakets. Hieraus resultiert die notwendige Planungssicherheit, damit sich die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können: das Bauen.
Wir hoffen, dass sich nunmehr auch die Politik ihrer Verantwortung bewusst wird und die Beseitigung der Wohnungskrise rasch angeht.
Die aktuellen Tarifverträge und die aktuellen Entgelttabellen finden Sie Downloadbereich „Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht: Lohntabelle für das Baugewerbe im Land Niedersachsen ab April 2024 und Gehälter für Angestellte und Poliere, Ausbildungsvergütungen für kaufmännische Auszubildende ab April 2024