Standpunkt 06/2025

Die Baustelle 06/2025
Grant Hendrik Tonne ist der neue niedersächsische Wirtschafts- und Bauminister. Die Herausforderungen für den Ex-Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion könnten größer kaum sein. Der Strukturwandel in der Automobilindustrie fordert tausende von Arbeitsplätzen, das Baugewerbe leidet massiv unter den Auftragsrückgängen im öffentlichen und im Wohnungsbau. Viele kleine und mittelständische Betriebe, einst das Rückgrat des Wohnungsbaus, müssen Arbeitsplätze abbauen oder geben teilweise ganz auf. Die Unternehmen ächzen unter der Bürokratielast.

In dieser angespannten Lage bringt die Landesregierung ein neues Tariftreue- und Vergabegesetz auf den Weg. Künftig müssen alle Unternehmen die Bezahlung nach den jeweils gültigen Lohntabelle garantieren und bei jedem öffentlichen Auftrag die dafür eingesetzten Beschäftigten, deren Entgeltgruppe und Tätigkeitsdauer nachweisen. Zudem sollen sie auch für die Tariftreue ihrer Unterauftragnehmer geradestehen. Ein Pluspunkt: Ausgenommen von der Nachweispflicht bei eigenen Mitarbeitern sind tarifgebundene Unternehmen. Bei ihnen genügt die Bescheinigung des tarifschließenden Verbands als Nachweis der Tariftreue. Doch auch die Kommunen als größter öffentlicher Auftraggeber schlagen Alarm. Sie sollen ebenfalls die korrekte Bezahlung und Eingruppierung ihrer Auftragnehmer überprüfen. Wie Verstöße geahndet werden sollen, bleibt unklar.

Wegen der nicht umsetzbaren Pflicht zur Überprüfung der Nachunternehmer und fehlender Sanktionsmöglichkeiten lehnt die Bauwirtschaft die Gesetzesnovelle ihrer jetzigen Form ab, da sie eine zusätzliche Bürokratiebelastung darstellt. Erschweren kommt hinzu, dass wegen der gleichzeitigen Reform der Wertgrenzenverordnung die Wertgrenzen stark ansteigen sollen. Danach sollen Kommunen Aufträge bis zu 20.000 Euro ohne jede Erklärung, wie sie zur Vergabeentscheidung gekommen sind, vergeben können und weiterhin bis zu 150.000 Euro freihändig und bis zu eine Million Euro im Rahmen der beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben können. Wenn das eintritt, dann fallen die meisten Handwerksbetriebe mit ihren eher kleinen Auftragsvolumina aus der Nachprüfbarkeit heraus.

Hier liegt der erste große Prüfstein für den neuen Wirtschafts- und Bauminister. Ist Tonne bereit, handwerks- und mittelstandsgerechte Verantwortung zu übernehmen? Am Umgang mit dem neuen Vergabegesetz und der Wertgrenzenverordnung wird sich seine wirtschaftspolitische Handschrift zeigen. Niedersachsen braucht keine weiteren bürokratischen Hürden, sondern handfeste Lösungen.

Bürokratieabbau, Investitionsanreize, Planungsbeschleunigung – das sind die Bremsen, die Tonne lockern muss. Gelingt ihm das, dann wird der Konjunkturmotor anspringen. Man darf gespannt sein, welches Pedal der neue Wirtschafts- und Bauminister durchtreten wird.

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