Diese Regelungen sind für unsere Mitgliedsbetriebe gerade bei gesteigerter Tätigkeit im Gebäudebestand wissenswert und mit Inkrafttreten anzuwenden.
Zum 5. Dezember 2024 ist die novellierte Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten. Wir
berichteten in der letzten Ausgabe über den für die Bauwirtschaft nachteiligen Verlauf der Beschlussfassung, insbesondere für die Tätigkeiten mit Asbest beim Bauen im Bestand. Aber dennoch stecken auch darin immer Chancen, sich bei Anwendung mit Sach- und Fachverstand neue Tätigkeitsfelder zu erschließen.
Aufgrund der Flaute im Neubau haben Maßnahmen im Bestand für fast alle am Bau beteiligten Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Man kann aber davon ausgehen, dass ein großer Teil der jemals verbauten Asbestmengen in unterschiedlichsten Verarbeitungsformen noch in eben diesem Gebäudebestand steckt. Über den Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest kann daher nicht oft genug referiert und geschult werden, denn die Brisanz damit hat viele Aspekte, die äußerst sensibel und gewissenhaft zu handhaben sind.
Der Schutz vor Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter, aber auch der Gebäudenutzer oder durch die Baumaßnahme ebenfalls Beeinträchtigter steht hier natürlich an erster Stelle. Der damit verbundene strafrechtliche Aspekt, Dritte durch Bearbeitung von asbestbelasteter Bausubstanz ohne die erforderliche Sachkunde zieht – sofern erkannt und geahndet – empfindliche Strafe nach sich.
In der Angebotsanbahnung in jeglicher Art der Vertragsgestaltung – öffentlich wie privat – birgt eine bestehende Ungewissheit über den Asbestverdacht hohe wirtschaftliche Risiken, sowohl für den Auftraggeber wie für den ausführenden Betrieb. In vielen Fällen liegt keine vorgeschaltete Beprobung vor. Nicht selten lösen aber hier gewissenhafte und fachkundige Hinweise eine ablehnende Haltung des Auftraggebers aus. Es darf dem Fachbetrieb nicht passieren, dass Kompetenz zur Auftragsverhinderung führt.
Der Fokus in der Hinweisführung sollte daher im Bereich des Schutzes der Gesundheit gerade des nach erfolgter Baumaßnahme Nutzenden und eine dazu passende und sachkundige Lösungsorientierung des ausführenden Betriebes liegen. Erwerben der Sachkunde und gegebenenfalls geförderte Anschaffung (unter www.bgbau.de/asbest) von Equipment können hier zum Door-Opener werden und das Angebot über eine fachgerechte Entnahme und Analyse einer ersten Mischprobe zur Verdachtsaufklärung zum niedrigschwelligen Eintritt in ein Vertragsverhältnis sein.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) haben daher in einer gemeinsamen Pressemitteilung über die Neuerungen und Unterstützungsangebote für Unternehmen und Beschäftigte am Bau wie folgt informiert und wir geben diese Mitteilung mit einigen Ergänzung hiermit weiter.
Seit 1993 sind Tätigkeiten mit Asbest in Deutschland grundsätzlich verboten. Die alte Gefahrstoffverordnung sah Ausnahmeregelungen lediglich für Abbruch-, Sanierungsund Instandhaltungsarbeiten vor. Nicht geregelt waren bislang Tätigkeiten mit asbesthaltigen Baustoffen, wie Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber, beim Bauen im Bestand. Hier schafft die am 5. Dezember 2024 in Kraft getretene Gefahrstoffverordnung nun mehr Klarheit.
Ampel-Modell für Risikobewertung
Mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung wird ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen eingeführt. Das Konzept definiert drei Risikobereiche:
- Rot/hohes Risiko (Asbest-Faserstaubbelastung > 100.000 Fasern/m³),
- Gelb/mittleres Risiko (Asbest-Faserstaubbelastung < 100.000 Fasern/m³)
- Grün / geringes Risiko (Asbest- Faserstaubbelastung < 10.000 Fasern/m³).
Aufgrund der Farbgebung der Risikobereiche wird das Maßnahmenkonzept auch „Ampel-Modell“ genannt. Mit Hilfe dieses Modellskönnen Unternehmen für die Arbeit mit krebserzeugenden Gefahrstoffen die Schutzmaßnahmen risikobezogen festlegen. Je höher die Belastung am Arbeitsplatz ist, desto anspruchsvoller müssen die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten sein. In der Praxis wird dieses Konzept bereits seit einigen Jahren über die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ angewendet.
Neue Gefahrstoffverordnung:Was Unternehmen wissen müssen
Mit der neuen Gefahrstoffverordnung werden Tätigkeiten zur „funktionalen Instandhaltung“ baulicher Anlagen im Bereich geringer und
mittlerer Risiken legalisiert. So dürfen mit entsprechenden Schutzmaßnahmen und den erforderlichen Qualifikationen beispielsweise Schlitze in asbesthaltigem Putz zur Verlegung einer Elektroleitung gefräst werden. Bislang war das nicht zulässig.
Tätigkeiten mit hohen Risiken sind weiterhin mit strengen Anforderungen verbunden und können nur von Fachfirmen mit Zulassung sicher durchgeführt werden. Handwerksbetriebe werden solche Arbeiten faktisch nicht ausführen oder die vertragliche Zusammenarbeit mit Fachfirmen etablieren.
Die neue Gefahrstoffverordnung führt eine Stichtagsregelung ein: Demnach muss in allen Gebäuden, die vor dem 31. Oktober 1993 errichtet wurden, mit Asbest in den Baustoffen beziehungsweise der Bausubstanz gerechnet werden. Es wird eine Informations- und Mitwirkungspflicht des Veranlassers von Bauarbeiten eingeführt. Dieser muss dem beauftragten Unternehmen künftig alle ihm vorliegenden Informationen, im Wesentlichen Angaben zum Baujahr oder Baubeginn oder zur Schadstoffbelastung des Gebäudes, zur Verfügung stellen.
Das Baujahr ist vom Unternehmen wiederum in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Ist die Sachlage nicht klar, muss das Bauunternehmen eine Erkundung in den Gebäuden durchführen lassen, um das Vorhandensein von Asbest
zu klären. Entstehende Kosten gelten als besondere Leistung.
Für alle Tätigkeiten mit Asbest ist wie bisher auch weiterhin die Sachkunde für die aufsichtführende Person, die während der Tätigkeiten ständig vor Ort anwesend ist, erforderlich.
Neu ist die Sachkundeanforderung für Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen Materialien, zum Beispiel für Arbeiten im Gleis-, Straßen- und Tunnelbau sowie in Steinbrüchen. Dafür gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren. Arbeiten mit Asbest dürfen nur von Beschäftigten, die über Grundkenntnisse zu Asbest (Fachkunde) verfügen, ausgeübt werden. Da die Anforderung an die Qualifikation der Beschäftigten neu eingeführt wird, gilt auch hierfür eine dreijährige Übergangsfrist.
Verboten bleibt die feste Überdeckung, Überbauung oder Aufständerung an Asbestzementdächern, zum Beispiel durch die Installation von Photovoltaikanlagen. Neu hinzugekommen ist ein Überdeckungsverbot für Asbestzementwand- und -deckenbekleidungen sowie asbesthaltige Bodenbeläge.
Verboten bleiben in Zukunft auch Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an nicht vollflächig beschichteten Asbestzementdächern und Außenwandbekleidungen aus Asbestzement.
Weiterhin obligatorisch ist und bleibt die formale unternehmensbezogene und objektbezogene Anzeige der Tätigkeiten mit Asbest bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde sowie die Übermittlung einer Kopie an den zuständigen Unfallversicherungsträger.
BG BAU hilft bei der Umsetzung
Um die Anforderungen der neuen Gefahrstoffverordnung sicher und rechtskonform umzusetzen, stellt die BG BAU ihren Mitgliedsunternehmen unter anderem folgende Angebote zur Verfügung:
- Mit der Arbeitsschutzprämie „Schutzpaket für das Bauen im Bestand“ fördert die BG BAU mit bis zu 5.000 Euro die technische Grundausstattung, die für ein sicheres Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien erforderlich ist. Dazu gehören zum Beispiel Handmaschinen mit Absaugung, Bauentstauber, Luftreiniger oder Staubschutztüren sowie Schleusen.
- Mit dem E-Learning-Modul „Grundkenntnisse Asbest“ können die Beschäftigten den theoretischen Teil der Grundkenntnisse im Lernportal der BG BAU erarbeiten.
Die bestehende Branchenlösung ist noch auf Stand 10/2021, wird zeitnah überarbeitet und in einen
Leitfaden überführt, der eine praxistaugliche Vorgehensweise für die Betriebe in Bezug auf Asbest beim Bauen im Bestand vorgibt.
Weiterführende Informationen erhalten Unternehmen auf einer speziellen Themenseite der BG BAU unter www.bgbau.de/asbest oder über die kostenfreie Präventionshotline 0800 8020100.
Weitere Informationen: www.bgbau.de/asbest
Des Weiteren sind unsere Angebote zum Erwerb der Sachkunde nach TRGS 519 Anlage 4C im Haus der Bauwirtschaft wie bekannt hier zu finden: www.haus-der-bauwirtschaft.de
Der nächste, buchbare Asbestsachkundelehrgang für Arbeiten an Asbestzementprodukten oder Arbeiten geringen Umfanges an schwachgebundenem Asbest, integrierter Lehrgang für Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten nach Anlage 4C der TRGS 519 findet am 11. + 12. März 2025
statt.