Asbest war lange Zeit ein geschätztes Baumaterial. Weil es aber gesundheitsgefährdend ist, wurde es 1993 verboten. Laut Statistik der Berufsgenossenschaft BAU sind Asbest Erkrankungen die häufigste Todesursache bei den Berufskrankheiten. Beim Bauen im Bestand stellt Asbest noch immer eine sehr reale Gefährdung für die dort tätigen Unternehmen und Beschäftigten dar. In Bestandsgebäuden, die bis 1993 errichtet wurden, muss grundsätzlich mit dem krebserzeugenden Schadstoff gerechnet werden.
Umso verwunderlicher ist das Gezerre um die neue Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Im Juni hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jetzt den vierten Referentenentwurf zur Änderung der Verordnung vorgelegt. Seit 15 Jahren werkelt der Gesetzgeber daran herum. Der gegenwärtige Entwurf ist aus Unternehmenssicht im Vergleich zum letzten Entwurf aus dem Jahr 2023 äußerst problematisch. Die darüber beabsichtigte Umkehr der Verantwortung weg vom Auftraggeber hin zum ausführenden Fachunternehmer konterkariert darüber hinaus die wertvolle Arbeit des Asbestdialoges der vergangenen Jahre und wirkt aus Sicht der Handwerksunternehmen und deren Beschäftigten wie ein weiterer Schlag ins Gesicht.
Die bisherige Handhabung sieht vor, dass der Veranlasser der Baumaßnahme über Erkundungs- und Aufklärungspflichten entsprechende Informationen zu möglichen Gefahrstoffen vorhält oder beibringt. Das ausführende Bauunternehmen nutzt diese Informationen als Entscheidungsgrundlage für die das Annehmen oder Ablehnen des Auftrages. Kalkulationen, Arbeitsvorbereitungen, aber vor allem die notwendigen Schutzmaßnahmen der Belegschaft fußen in der Regel auf diesen Grundlagen. Im Entwurf der GefStoffV ist nun von dieser Erkundungspflicht des Bauherrn als Veranlasser einer Sanierung keine Rede mehr. Im Wettstreit der Interessen scheinen sich andere Marktakteure durchgesetzt zu haben: die Immobilieneigentümer, die die Kosten der Schadstoffprüfung nicht übernehmen wollen, und das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium, dass die energetische Sanierung augenscheinlich über die Gesundheit der Handwerker stellt.
Die Gefahr ist groß, dass besonders vor dem Hintergrund eines ohnehin schon harten Preiswettbewerbes, eben jene regelwidrigen, aber zugleich kostengünstigen Angebote vor sicherheitsbewussten bevorzugt werden sollten. In letzter Konsequenz stellt die geplante Abkehr von der Veranlasserpflicht eine inakzeptable Risikoverschiebung zu Lasten der ausführenden Betriebe, aber vor allem deren Belegschaften dar. Die Gefahren, die vom Asbest ausgehen sind real und der Arbeits- und Gesundheitsschutz Ihrer Belegschaft muss weiterhin oberste Priorität genießen. Nur eben nicht alleinig auf den ohnehin schon strapazierten Schultern der Bauwirtschaft. Gemeinsam mit Vertretern der Bau- und Recyclingwirtschaft kämpft der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) bereits seit Bekanntwerden der beabsichtigten Novellierung der GefStoffV für eine entsprechende Anpassung. In Anbetracht der bisherigen Entwicklungen scheint eine Heilung allerdings in immer weitere Ferne zu rücken.