Standpunkt 09/2023

Die Baustelle 09/2023
Spätestens seit Anfang August steht fest, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz den Blick vor den Realitäten in der Bauwirtschaft nicht länger verschließt. Ihre beharrliche Weigerung in den vergangenen beiden Jahren, den Erwerb von Wohneigentum zu fördern, war schließlich ein Grund dafür, dass die Bauwirtschaft 2022 in die Rezession rutschte. Bei vielen Betrieben, die vor allem in diesem Segment tätig sind, baut sich der Auftragsbestand zunehmen ab oder ist bereits abgearbeitet.

Vor dem Hintergrund der sehr schlechten Entwicklung im Wohnungsbau regt das  jetzt die Einführung einer degressiven Abschreibung (AfA) für neu errichtete Wohngebäude an. Von 2023 bis Ende 2030 soll eine steuerliche Abschreibung gelten, die in den ersten vier Jahren jeweils sieben Prozent und in den darauffolgenden vier Jahren jeweils fünf Prozent beträgt. Damit würde sich die Abschreibung in den acht Jahren auf
48 Prozent summieren. Ab dem neunten Jahr soll die AfA dann konstant bei zwei Prozent liegen. 

Positiv ist, dass die degressive AfA, anders als die aktuelle Sonder-AfA, nicht an den Standard EH 40 und an eine Baukostenobergrenze von 4.800 Euro pro m2 gekoppelt würde. Die vorgeschlagene steuerliche Abschreibung könnte daher auch bei dem derzeit geltenden EH55 gezogen werden. Die degressive AfA bildet zudem den Wertverzehr von Wohngebäuden besser ab. Denn die Technik, die in neuen Gebäuden verbaut ist, wird oft innerhalb von wenigen Jahren durch neue Entwicklungen überholt. Dadurch verlieren Gebäude relativ schnell den Status eines Bauwerkes auf dem neusten technischen Stand und verlieren zu Anfang schneller an Wert.

Die Kehrtwende der Bauministerin ist bemerkenswert. Schließlich sagt man ihr eine eher reservierte Einstellung gegenüber Wohneigentümern und Bauunternehmern nach. Es darf vermutet werden, dass die Förderinitiative mit dem Kanzleramt abgestimmt wurde. Dort blickt man mit Sorge auf die anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Denn die Beliebtheit der Ampel-Koalition in der Bevölkerung lässt – um es vorsichtig auszudrücken – zu wünschen übrig. 

Selbst wenn der Bund spürbare Investitionsanreize setzen sollte, wird der Strömungsabriss bei der Planung neuer Projekte im Wohnungsbau noch lange nachwirken. Denn die Vorhaben, die in den vergangenen Monaten gestoppt oder nicht begonnen wurden, wären die Aufträge des nächsten Jahres geworden. Das entstandene Defizit wird nicht aufholbar sein. Auch wenn es gelingen sollte, andere Rahmenbedingungen für den Bau zu schaffen, so werden wir uns noch für längere Zeit auf eine schwache Nachfrage, vor allem im Wohnungs- und Einfamilienhausbau, einstellen müssen – mit negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation.

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