Interview mit Rainer Bomba, Staatssekretär im BMVI: „Wir lassen die Unternehmen bei BIM nicht allein"

Rainer Bomba ist seit Ende 2013 Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Zuständig ist er dort für Infrastruktur, Mobilität, Forschung, Raumordnung, Digitale Gesellschaft und Straßenbau. DIE BAUSTELLE stellte ihm Fragen, die Akteure und Unternehmen in Bezug auf digitales Bauen haben.

Porträt Rainer Bomba, Staatssekretär im BMVI

Übereinstimmend berichten unsere Gesprächspartner (Heinz Ehrbar, DB Netz AG, Prof. Oltmanns, Jadehochschule), dass andere Länder mit BIM bereits weiter sind als Deutschland. Woran liegt das? Und: Haben Sie als politische Rahmensetzer dafür eine Mitverantwortung?
Was muss Ihrer Auffassung nach geschehen, damit Deutschland beim digitalen Bauen zu den skandinavischen Ländern oder auch Großbritannien aufschließen kann?

Deutsche Planer und Bauunternehmen brauchen den internationalen Vergleich bei der Anwendung objektorientierter, digitaler Methoden nicht zu scheuen. Und das BMVI hat bereits im Jahr 2015 einen klaren Fahrplan vorgegeben: Bis Ende 2020 machen wir BIM zum Standard bei neuen Verkehrsinfrastrukturen. Dabei setzen wir von Anfang an auf die Anwendung von „Open BIM", also die Nutzung herstellerneutraler Datenaustauschformate, um Verwerfungen im Markt bis hin zu möglichen Monopolbildungen zu vermeiden. Das wichtigste für Auftraggeber und Auftragnehmer ist jedoch die praktische Erfahrung. Daher haben wir die Erprobung von BIM bei den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Wasserstraße auf inzwischen 26 Projekte in ganz Deutschland ausgeweitet. Alle Pilotprojekte werden beobachtet und untersucht, die Ergebnisse systematisch aufbereitet und veröffentlicht. Auch in dieser Beziehung sind wir im europäischen Vergleich an der Spitze. Mit dem Masterplan Bauen 4.0 haben wir Anfang des Jahres eine weitere Initiative gestartet, um BIM in der gesamten Wirtschaft noch stärker Geltung zu verschaffen und weitere Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen.

Der Zweistufenplan zielt auf große Projekte ab. Fallen kleine und mittelständische Unternehmen in der Baubranche – die große Mehrheit in Niedersachsen und bundesweit – hier durch den Rost? Wie kann man sie am digitalen Bauen (und an Ausschreibungen dafür) beteiligen – und was muss dafür geschehen?

Der Stufenplan Digitales Planen und Bauen des BMVI beinhaltet insgesamt drei Stufen. Die zweite Stufe, die deutliche Ausweitung der Pilotierung, haben wir planmäßig im Jahr 2017 eingeleitet. Der Stufenplan zielt im Übrigen nicht nur auf große Bauprojekte. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Anwendung von BIM oft auch bei kleineren Projekten sinnvoll sein kann. Zudem wird die losweise Vergabe durch BIM nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Wenn alle Beteiligten mit objektorientierten digitalen Modellen einfacher und effizienter miteinander kommunizieren können, kann dies die partnerschaftliche Zusammenarbeit erleichtern.

Die Schnittstellenproblematik wird von vielen im Bauwesen als ein zentrales Problem gesehen. Reicht es aus, sich auf die Bildung internationaler Standards zu verlassen? Lässt sich so etwas auf nationaler und europäischer Ebene überhaupt regeln? Wie könnte eine solche Regelung aussehen? Und bis wann sollte sie kommen?

Unser Hauptaugenmerk liegt auf internationalen Standards. Wir wollen keine nationalen Insellösungen. Das BMVI hat Arbeitsgruppen eingerichtet, die intensiv an der Erweiterung des wichtigsten internationalen und herstellerneutralen Datenaustauschformats IFC für den Infrastrukturbereich arbeiten. Dieser Prozess läuft gerade auf Hochtouren, und wir sind mit unseren Experten sehr gut vertreten.
Der Stufenplan bekräftigt, dass wir in den Ausschreibungen herstellerneutrale Datenformate wollen. Wir arbeiten daher im Zuge unserer Pilotprojekte auch an Musteranforderungen, die wir veröffentlichen werden, damit sich alle Beteiligten darauf einstellen können.

Firmen, die bereits mit BIM arbeiten, beklagen, dass nach VOB Teil C eine Abrechnung aus BIM heraus nach VOB Teil C nicht per se möglich ist. Damit entfällt ein wichtiger Rationalisierungsvorteil von BIM. Muss die VOB Teil C angepasst werden? Falls ja, bis wann und wie?

Eine Expertengruppe, die das BMVI beauftragt hat, untersucht unter anderem, inwieweit die VOB insgesamt angepasst werden sollte, um eine effiziente Nutzung von BIM zu gewährleisten. Die Ergebnisse liegen noch nicht vollständig vor.

Sie verweisen unter „Maßnahmen" auf die Privatwirtschaft, die BIM-Schulungen entwickeln müsse. Lassen Sie damit die Unternehmen angesichts der revolutionären Entwicklungen, in denen wir stehen, nicht allein? Und sind nicht auch Bund und Länder in der Pflicht, Universitäten und Hochschulen auf BIM-Augenhöhe zu bringen, damit wir die nötigen Fachkräfte fürs digitale Bauen gewinnen? Wenn ja, wie?

Wir sehen die Aufgabe der Qualifizierung nicht allein bei der Privatwirtschaft. Die Ergebnisse unserer eigenen Forschungsarbeiten zu den Pilotprojekten im Infrastrukturbereich werden wir veröffentlichen und in Informationsveranstaltungen erläutern. Hierzu wollen wir ein nationales BIM-Kompetenzzentrum etablieren, das eine übergreifende Koordinierungsfunktion übernehmen und als Anlaufstelle für alle Beteiligten dienen soll. Im Rahmen eines interministeriellen Arbeitskreises sind wir im Gespräch mit den zuständigen Ressorts, um der Aufgabe der Qualifizierung umfassend gerecht zu werden. Insbesondere bei der Weiterbildung des bestehenden Personals wollen wir die Betriebe nicht allein lassen.

Unser Gesprächspartner Prof. Oltmanns (Mitglied der Reformkommission „Großprojekte" im BMVI) beklagt, dass die Bauzuständigkeiten derzeit auf verschiedene Ministerien verteilt sind. Ist dies auf dem Weg zu Bauen 4.0 sinnvoll, oder sollte es dafür nicht besser ein zentrales Bundesbauministerium geben?

Innerhalb der Bundesregierung hat das BMVI das mit Abstand höchste Volumen an Bauinvestitionen. Daher haben wir auch das größte Interesse daran, dass kosteneffizient, zeitgerecht und qualitativ hochwertig gebaut wird. Die Reformkommission zum Bau von Großprojekten war folgerichtig im BMVI ansässig und hat zur Etablierung von BIM geführt. Mit dem Masterplan Bauen 4.0 schaffen wir daher jetzt schon die Grundlagen für die Weiterentwicklung des digitalen Bauens auch über die Anforderungen unseres Stufenplans hinaus. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür ist die Gründung eines BIM-Exzellenzclusters, mit dem wir die Grundlagenforschung besser mit der Bauwirtschaft vernetzen wollen. Wir wollen so auch neuen Anwendungsgebieten wie dem automatisierten Bauen, der digitalen Normenprüfung und Machine-Learning-Ansätzen zum Durchbruch verhelfen.

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