Jochen Hanff: „Auch kleinere Baubetriebe sollten in fünf Jahren BIM-User-Kompetenz haben“

Dr.-Ing. Jochen Hanff hat die ceapoint aec technologies GmbH 2010 als geschäftsführender Gesellschafter gegründet. Das Essener Unternehmen entwickelt Softwareprodukte für das modellorientierte Arbeiten im Bauwesen. Es beschäftigt Informatiker, Bauingenieure und Mathematiker. Diese beraten Bauunternehmen und Planungsbüros auch bei der Einführung und Anwendung modellorientierter Arbeitsweisen.

Bild von Dr.-Ing. Jochen Hanff

Dr. Hanff hat Bauingenieurwesen studiert und im Fachgebiet Bauinformatik promoviert. Im Anschluss an seine wissenschaftliche Tätigkeit war er für die HOCHTIEF Construction AG zunächst als Projektleiter im Innovationsschwerpunkt ViCon (Virtual Design and Construction) tätig. Später war er Leiter „Forschung und Innovation" der HOCHTIEF ViCon GmbH.
Anschließend war Dr. Hanff bei der RIB Information Technologies AG als Prokurist maßgeblich an der Entwicklung der Produktlinie RIB iTWO beteiligt.

Unternehmen in der niedersächsischen Baubranche haben im Schnitt acht bis zehn Mitarbeiter. Die meisten von denen sind keine Digital Natives. Laut Stufenplan will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt „BIM ab 2020 bei allen neu zu planenden Projekten des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) verbindlich machen". Wie soll das gehen?

Das BMVI hatte mit seiner „Reformkommission Großprojekte" die problematischen Großprojekte der jüngsten Vergangenheit im Blick und im Ergebnis einen „10-Punkte-Aktionsplan" vorgestellt, in dem die Anwendung der BIM-Methode ein wesentlicher Bestandteil ist. Im Stufenplan des BMVI ist beschrieben, wie die Anwendung der BIM-Methode schrittweise eingeführt werden soll.

Dann können kleinere Betriebe sich also noch etwas zurücklehnen?

Ich schätze, dass in den kommenden fünf Jahren in puncto BIM dramatische Veränderungen auch auf kleinere Unternehmen zukommen werden. Das betrifft dann nicht nur BIM, also die Arbeit mit digitalen Gebäudemodellen, sondern die Digitalisierung allgemein.

Dann müssen auch kleinere Betriebe demnächst Informatiker einstellen?

Nein. Wenn Sie heute zum Beispiel mit einem ERP-System arbeiten, brauchen Sie das ja auch nicht! Das Arbeiten mit BIM-Software hat natürlich etwas Technisches, aber sie brauchen dafür kein Informatikstudium. Ich bin sicher: Die Vorteile des Arbeitens mit BIM werden die Akzeptanz in den Betrieben schnell erhöhen: Sie können über modellorientiertes Arbeiten interne Prozesse verbessern – so kann man zum Beispiel Mengenermittlungen aus dem Modell ziehen, statt mit mühsamem Aufmaß aus Zeichnungen und Plänen. Über die Software lassen sich Material- und Stücklisten und Terminpläne erstellen. Tiefgreifend wird BIM auch die Art der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen verändern.

Sie sind Bauingenieur und haben in der Bauinformatik promoviert. War BIM da schon ein Thema?

Dafür ist BIM zu jung. Bei der HOCHTIEF, wo ich beschäftigt war, haben wir 2003 so richtig mit digitalem Bauen losgelegt. CAD-Modelle gibt es ja schon länger, auch in 3D. Der entscheidende Unterschied bei BIM ist, dass man diese Modelle mit Informationen anreichern kann. Bei der HOCHTIEF haben wir uns mit Virtual Design and Construction (VDC) beschäftigt. Daraus ist die HOCHTIEF ViCon GmbH entstanden, ein Dienstleister und Berater für virtuelles Bauen. Das ist alles relativ jung, aber ein sehr dynamisches Thema.

Was genau machen Sie mit der CEAPOINT GmbH?

Wir entwickeln und vertreiben Software für das BIM-Management und BIM-Koordination.

BIM ist eine offene Plattform. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Software-Lösungen dafür. Für was soll sich ein Unternehmen entscheiden?

BIM ist eine Methode für das Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken. Wir bieten Systeme für das Management der Daten. Wir setzen also nach der Erstellung der CAD-Modelle an, die zuvor bereits von Konstrukteuren angefertigt worden sind. Wir kümmern uns mit unserer Software darum, dass alle Fachinformationen in einem Koordinationsmodell zusammengeführt und verknüpft werden und den einzelnen Beteiligten am Bau, im Planungsbüro oder auf der Baustelle, aber auch den Bauherren übergeben werden können. Der Bauherr kann sich dann per Mausklick beispielsweise über Termine informieren. Man kann mit unseren Werkzeugen Qualitäten, Materialien, Zeitpläne und vieles mehr aus einem Modell herausziehen. Auch Verantwortliche vor Ort können dieses Modell anreichern. Man kann sich den Bauverlauf auch über die Zeit visuell darstellen lassen. Man kann damit auch einen Soll-/Ist-Vergleich machen. Wie weit ist der Bau bereits fortgeschritten und wie weit müsste man nach Zeitplan sein? Es gibt sehr viele verschiedene Anwendungsfälle bei BIM. Jedes Unternehmen hat da seinen eigenen Schwerpunkt.

Heißt das dann auch, dass die Programme, mit denen individuell gearbeitet sind, verschieden sind und bleiben werden?

Die eierlegende Wollmilchsau wird es bei BIM-Software nie geben! Es gibt beispielsweise CAD-Systeme, die sich stärker für den Hochbau eignen, und solche, die eher auf Tiefbau oder Infrastrukturmaßnahmen zugeschnitten sind.

Dann ist es also ein Lottospiel für ein Unternehmen, ob die gerade teuer gekaufte Software für ihre Auftraggeber, Geschäftspartner oder Subunternehmer passt?

Wir werden offene Systeme und Standards für die Datenübergabe brauchen. Das heißt, wir werden dafür sorgen müssen, dass die unterschiedlichen Programme auch zusammenarbeiten. Das kann derzeit noch verbessert werden. Wir als Anbieter von Software für die Verknüpfung von Daten müssen natürlich eine breite Palette von unterschiedlichen Formaten für das Einlesen und Ausgeben von Daten anbieten. Es wird auch in Zukunft eine Vielzahl von Software-Angeboten geben, weil die Anwendungen von BIM zu vielfältig sind. Wir müssen im Interesse der Anwender dafür sorgen, dass Hersteller ihre geschlossenen Systeme öffnen, sodass andere damit weiterarbeiten können. Die Verknüpfung unterschiedlicher Systeme muss möglich sein. Ein Zertifizierungsprozess kann hier helfen. Wichtiger noch ist aber aus meiner Sicht, dass die Mitarbeiter in den Unternehmen mit den Daten eines Gebäudemodells umgehen können beziehungsweise da herangeführt werden.

Im Gespräch mit diesem Magazin hat ein Unternehmens-Anwender von großen Akzeptanzproblemen gerade bei älteren Ingenieuren berichtet. Er sei auf jüngere Kräfte die direkt von den Hochschulen kommen, angewiesen. Doch die würden nicht genug Fachleute produzieren...

Das ist nicht nur bei dieser Firma so. Das erleben viele Bauunternehmen derzeit. Es ist schwierig, BIM-Fachleute zu bekommen. An vielen Hochschulen gibt es mittlerweile neue Kurse und Angebote. Der Mangel wird nicht von heute auf morgen abzustellen sein, aber die Lehrstühle haben die Herausforderung erkannt.

Der Altersdurchschnitt in vielen Bauunternehmen liegt bei Mitte 40. Diese Mitarbeiter können wir doch nicht einfach links liegen lassen. Wie bekommen wir sie auf BIM-Höhe?

Ich bin guter Hoffnung, dass uns das gelingen wird. Wichtig für Unternehmen ist es, eine Keimzelle von Personen zu haben, die eine gewisse Affinität zu BIM haben und im Austausch mit weniger affinen Kollegen diesen die Hemmschwelle nehmen, sich auf das Thema einzulassen. Man sollte diesen Kollegen die Nutzeroberflächen so gestalten, dass sie lediglich die Funktionen sehen, die sie für ihre Aufgaben auch brauchen. In unserem Programm kann man das entsprechend anpassen. Wenn ich beispielsweise Bauleiter bin und lediglich Mengen herausziehe, dann kann ich das auf meiner persönlichen Nutzeroberfläche so einfach tun, als würde ich im Internet surfen. Die technische Hürde liegt hier sehr niedrig, sodass auch nicht IT-affine Personen damit ganz einfach umgehen können. Für die Vorbereitung von Daten wird es zum Beispiel das neue Berufsbild des BIM-Koordinators beziehungsweie BIM-Managers geben, der die Ausführenden bei der Anwendung von BIM unterstützt und sich um das Informationsmanagement kümmert.

Bis zu welcher Größe brauchen Betriebe denn BIM-Koordinatoren?

Es kann nicht schaden, wenn man eine Person hat, die die Schnittstelle zwischen Partnerunternehmen und dem eigenen Unternehmen bildet. Es muss jemanden geben, der die BIM-Daten übernimmt und versteht, welche Daten er bekommt und wie er diese weitergibt. Der Markt für BIM wird nicht an Großprojekten haltmachen. Mittelfristig wird uns BIM auch bei kleineren Projekten begegnen. Das Beispiel der Firma Hasselmann, das Sie in der früheren Ausgabe von DIE BAUSTELLE vorgestellt haben, hatte ja lediglich ein Volumen von 500.000 Euro und drei Monate Bauzeit. Auch kleinere Unternehmen müssen in der Lage sein, Informationen in auswertbarer Form auszutauschen. Das werden auch Auftraggeber künftig erwarten.

Sie beraten auch mittelständische Bauunternehmen. Wie lange brauchen diese in der Regel, um mit BIM arbeiten zu können?

Die Verwendung von BIM ist ein kontinuierlicher Prozess aber der Einstieg in BIM ist in der Regel nach drei Monaten geschafft. Wir starten in der Regel mit einem realen Pilotprojekt, schulen die Mitarbeiter im Umgang mit der Software und begleiten das Projekt mit einer Prozessberatung. Fiktive Projekte bringen nach unserer Erfahrung nichts. Es gibt natürlich Unternehmen, die dies unter dem Druck einer Ausschreibung tun, die den Einsatz von BIM fordert. Die weit größere Zahl der Anfragen kommt aber, weil ein Unternehmen erkennt, dass sich am Markt etwas tut und BIM-Know-how aufbauen möchte. Da sind auch Unternehmen mit 20 bis 50 Mitarbeitern dabei. Der Druck ist durch den Stufenplan des BMVI und durch die Entscheidung der Deutschen Bahn, künftig nur noch mit BIM zu arbeiten, zweifellos gewachsen. In fünf Jahren werden auch kommunale Auftraggeber zunehmend BIM abfragen. Ein Treiber dieser Entwicklung ist, dass der Auftraggeber damit die Baukosten und -termine besser im Griff hat.

Und welchen Vorteil haben die beauftragten Unternehmen davon?

Mehr Transparenz und Sicherheit sowie mehr Effizienz im Prozess. Vieles, was im analogen Bereich durch die Lappen gegangen wäre, zeigt sich durch BIM bereits im Vorfeld. Die Bauaufgabe ist einfach konkreter abgebildet. Damit hat man auch eine sichere Grundlage für die Angebotsbearbeitung und spätere Ausführung.

Der Geschäftsführer eines Bauunternehmens beklagt, dass nach Ausführung eines BIM-Pilotprojektes dennoch eine händische Abrechnung gefordert war. Rationalisierungspotenziale würden so verspielt.

Das Problem ist, dass die Richtlinien für Angebot und Abrechnung, zum Beispiel die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, weit zurück in die händische analoge Zeit reichen. Ich halte das aber für ein vorübergehendes Problem. Wir werden unsere Verfahren auf den Einsatz von digitalen Methoden besser ausrichten. In der Statik zum Beispiel gab es vormals eine Vielzahl händisch geprägter Verfahren. Inzwischen sind diese durch die vereinheitlichte und vor allem computerorientierte Methode der finiten Elemente abgelöst. Wir werden vergleichbares auch im Baubetrieb erleben. Wir werden künftig zum Beispiel Mengenermittlungen, die wir am Modell berechnen und auswerten, auch in das Abrechnungsverfahren übernehmen. Es ist letzten Endes nur eine Frage der Akzeptanz dieser Ergebnisse auf der Seite des Auftraggebers.

Digitalisierung fordert schnellen Datenaustausch. Was ist mit vielen Bauunternehmen im ländlichen Raum, die auch in absehbarer Zeit kein Highspeed-Internet haben werden?
Dafür gibt es Technologien, zum Beispiel offline zu arbeiten und später zu synchronisieren. Das ist lösbar und kein Hindernis für BIM.

Können wir vom Ausland lernen? Großbritannien scheint bei BIM schon weiter.

Öffentliche BIM-Initiativen mögen dort und auch in Skandinavien etwas früher gekommen sein. Insgesamt glaube ich aber, dass das deutsche Baugewerbe sich hier nicht verstecken muss! Auch in Deutschland hat das Thema Fahrt aufgenommen.

Wie können Bauverbände den Unternehmen helfen?

Grundlagenseminare sind sicher nicht verkehrt. Die Umsetzung muss aber in den Unternehmen stattfinden – gegebenenfalls unterstützt durch externe Consultants. Auch kleinere Betriebe sollten in fünf Jahren BIM-User-Kompetenz haben.

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