Ministerpräsident Stephan Weil zum Baujahr 2017

Im Interview mit DIE BAUSTELLE nimmt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil Stellung zu aktuellen bau- und handwerkspolitischen Themen. Der Sozialdemokrat ist seit 2013 Landesregierungschef. Der Baugewerbe-Verband Niedersachsen stellte Fragen zur Baukonjunktur 2017, den Wohnungsmangel, Public-Private Partnership und das deutsche Meistersystem.

Ministerpräsident Stephan Weil Foto: Henning Scheffen

Mit welchen Hoffnungen und Befürchtungen blicken Sie auf das Jahr 2017?

Zuversichtlich bin ich in Bezug auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Niedersachsens. Wir haben so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie nie zuvor und viele Unternehmen verzeichnen eine positive Geschäftsentwicklung. Hoffnungsvoll bin ich auch hinsichtlich des Gelingens der Integration der rund 160.000 Menschen, die seit 2013 zu uns nach Niedersachsen geflohen sind.
Sorge bereiten mir – wie wohl allen Menschen – insbesondere die zunehmende Terrorgefahr und die zahlreichen Konflikte weltweit.

Wie wird sich die Baukonjunktur in Niedersachsen aus Ihrer Sicht insgesamt entwickeln?

Auch was die Baukonjunktur anbelangt bin ich optimistisch. Das gilt generell und auch bezogen auf die Aktivitäten des Landes. Das Land investiert rund 800 Mio. Euro in den Wohnungsbau und 1,3 Mrd. Euro in den Krankenhausbau. Hinzu kommen in 2017 rund 135 Mio. Euro (Bundes- und Landesmittel) für die städtebauliche Erneuerung. Für den Bundes- und Landesstraßenbau wurden in 2016 ca. 771 Mio. Euro umgesetzt. Für 2017 erwarten wir noch einmal eine leichte Steigerung. Hinzukommen jährlich 50 Mio. Euro Fördermittel für den kommunalen Straßenbau. Aber auch im privaten Bereich nehmen wir eine rege Bautätigkeit wahr.

Deutschland braucht hunderttausende bezahlbare Wohnungen – dazu riefen die Landesbauminister auf. Schließen Sie sich diesem Aufruf an?

Derzeit kann von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt in Deutschland und auch in Niedersachsen nicht gesprochen werden. Es besteht in Niedersachsen nach wie vor eine große Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen vor allem in städtischen Ballungsgebieten und an altersgerechtem und barrierefreiem Wohnraum. Allerdings gibt es keine flächendeckende Wohnungsknappheit. In einigen vor allem ländlichen Regionen, sind Abwanderungstendenzen und Leerstände zu beobachten. Dort stagnieren die Mieten oder sie gehen sogar zurück. Aber auch dort sind die Wohnungsmärkte nicht einheitlich. So bestehen inzwischen auch in einigen ländlichen Gebieten Wohnungsknappheiten.

Wie hoch schätzen Sie den zusätzlichen Bedarf für Niedersachsen?

Die Wohnungsmarktbeobachtung 2014/2015 der NBank war davon ausgegangen, dass bis 2035 rund 281.000 neue Wohnungen in Niedersachsen gebraucht werden. Das entspricht einem jährlichen Bedarf von 14.000 Wohnungen. Durch die Zahl an Asylsuchenden und Flüchtlingen nimmt der Druck auf das Angebot an bezahlbaren Wohnungen nochmals zu. Eine Vielzahl der in Deutschland Schutz suchenden Menschen wird dauerhaft in Deutschland bleiben. Daraus folgt ein entsprechender Bedarf auf dem Wohnungsmarkt. Insbesondere ist bei diesem Personenkreis ein Drang in die städtischen Ballungsgebiete festzustellen, der dort zu einem Bevölkerungsanstieg und zu einem weiteren Anstieg der Wohnraumnachfrage führt. Neuere Zahlen liegen leider nicht vor. Der nächste Wohnungsmarktbericht wird gerade erarbeitet.

Den benötigten Wohnraum zu schaffen, ist eine der vordringlichsten Aufgaben für die kommenden Jahre. Dabei haben wir bereits Fortschritte erzielt. Mit dem Wohnungsbau in Deutschland und auch in Niedersachsen geht es seit einigen Jahren wieder bergauf. Die Zahl der Fertigstellungen ist kontinuierlich angestiegen. Ein großer Anteil fällt auf den Geschosswohnungsbau. Das ist eine sehr gute Nachricht. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen in Niedersachsen in würdigen Verhältnissen wohnen und leben können. Und dies zu einem Preis, den sich auch Menschen mit kleinen Einkommen leisten können.

Wir verfügen bundesweit nur noch über 1,4 Mio. Sozialwohnungen, jedes Jahr werden rund 60.000 Wohnungen aus der Sozialbindung entlassen. Neue werden derzeit kaum gebaut. Was tun?

In der Tat wurde ein Großteil des derzeit noch gebundenen Mietwohnungsbestandes während des letzten großen Wohnungsbau-Aufschwungs Anfang bis Mitte der 1990er Jahre mit einer 25-jährigen Bindungsfrist gefördert. Die Fristen werden in Kürze ablaufen. Das Land Niedersachsen ist bemüht, den Verlust an mietpreisgebundenem Wohnraum durch Neubauförderung, insbesondere von Wohnraum für Haushalte mit geringem Einkommen, zu kompensieren.

Wie bereits erwähnt, hat die Landesregierung zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus zusätzlich 400 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen die Kompensationsmittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau. Der Bund hat seine Ausgleichszahlungen, die die Länder seit Übernahme der Wohnungsbauförderung erhalten, mehr als verdoppelt: Bis 2015 hat Niedersachsen jährlich rund 38,5 Mio. Euro vom Bund erhalten. Seit 2016 sind es rund 78,3 Mio. Euro. Und in Niedersachsen werden die Kompensationsmittel nicht zweckentfremdet! Für die Jahre 2017 und 2018 will der Bund noch einmal je 500 Mio. Euro im Rahmen des Integrationspaketes aufsatteln.

Sollten Grundstückseigner, die Grundstücke für sozialen Wohnungsbau verkaufen, steuerlich besser gestellt werden?

Der Ruf nach steuerlicher Förderung kollidiert häufig mit den Zielen der Steuervereinfachung und der Steuergerechtigkeit; so auch bei der Grunderwerbsteuer. Ein Hauptziel der Grunderwerbsteuerreform 1983 war der Abbau der bis dahin in unüberschaubarer Vielzahl vorhandenen Steuerbefreiungen verbunden mit der Absenkung des Steuersatzes. Die Einführung weiterer Befreiungen würde das mit der Reform angestrebte und tatsächlich auch erreichte Ziel konterkarieren und zu einer Zersplitterung der Rechtslage führen.

Schon seit dem Jahr 2000 hätten staatliche Vorschriften das Bauen um 38 Prozent verteuert – 18 Prozent allein durch die stetigen Verschärfungen der Energieeinsparverordnung (EnEV), schreibt die Welt unter Berufung auf Angaben von Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft? Wie können wir diesen Trend bremsen oder vielleicht sogar stoppen, damit Bauen für Normalbürger bezahlbar bleibt?

Der Bund arbeitet gerade an einer Zusammenführung des Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes und der EnEV. Diese Regelungen umfassen die elementaren energiepolitischen Anforderungen an das Bauen. Ich begrüße die Idee des Bundes ausdrücklich, Planung und Ausführung erheblich zu vereinfachen. Wichtig ist, dass eine hohe Klimaschutzwirkung mit niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten einhergeht.

Gerade in gefragten Lagen sind steigende Baulandpreise oder überhaupt die Verfügbarkeit von Bauland ein limitierender Faktor fürs Bauen. NRW-Bauminister Michael Groschek will mehr Geschosse zulassen. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Diese Frage stellt sich in Niedersachsen nur in einigen großen Städten. Solange auch höhere Gebäude vor Ort ins Stadtbild passen, wäre ich offen für solche Ansätze.
Was halten Sie vom Vorstoß des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, an einer Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen auch private Investoren zu beteiligen?
Ich halte generell nichts von einer Infrastrukturgesellschaft für Bundesautobahnen und daher auch nichts von der Beteiligung privater Investoren. Ich kann nicht erkennen, was hinterher besser sein wird als vorher. Ich fürchte eher das Gegenteil.

Finanzminister Peter-Jürgen Schneider hat in einem Interview mit diesem Magazin wenig Sympathie für Public Private Partnership-Modelle gezeigt. Wie stehen Sie in der aktuell dramatisch zugespitzten Lage zu diesem Thema, was öffentliche Bauvorhaben angeht?

Finanzminister Schneider hat stets darauf hingewiesen, dass ÖPP-Projekte in der Regel teurer sind, als wenn der Staat selbst baut. Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse ist es dem Staat aber künftig verwehrt, Kredite zur Finanzierung großer Bauvorhaben aufzunehmen. Für Großprojekte, die aus dem laufenden Haushalt allein nicht zu finanzieren sein werden, brauchen wir künftig sicher eine alternative Finanzierung. Neben der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit müssen diese Projekte aber auch unseren ökologischen und sozialen Kriterien entsprechen.

Was kann und sollte sonst noch geschehen, damit unsere mittelständische Wirtschaft, Säule der Ausbildung, auch bei Großprojekten zum Zuge kommt und nicht auf die Rolle als Subunternehmer beschränkt ist?

Als Niedersachsen stehen wir ÖPP kritisch gegenüber. Nicht zuletzt wegen der schlechten Bedingungen für den Mittelstand. Hier setzen wir zukünftig mehr auf so genannte Funktionsbauverträge. Diese sind hinsichtlich des Projektvolumens (kleinere Loslängen) und der ausgeschriebenen Leistungen (nur Bau und Erhaltung, ohne Betrieb und Finanzierung) deutlich mittelstandsfreundlicher. Auch kann hier die hohe Innovationskraft des Mittelstandes gut eingebracht werden. Alle „konventionellen" Ausschreibungen, zum Beispiel die vielen Bauprojekte der Niedersächsischen Straßenbauverwaltung, sind unmittelbar für den Mittelstand geeignet. Sie machen den Großteil der Ausschreibungen aus.

Die EU-Kommission dementiert zwar, das Meistersystem in Deutschland abschaffen zu wollen. Gleichwohl befürchten Repräsentanten der Baubranche in Brüssel, dass man es zu einer Kann-Bestimmung machen könnte. Dies käme einer Abschaffung gleich. Wie stehen Sie zum Deutschen Meistersystem?

Im engen Einvernehmen mit dem Handwerk spreche ich mich immer wieder für den Erhalt des Meisterbriefes aus. Wenn wir die Zahl der Auszubildenden im Handwerk weiter auf hohem Niveau halten wollen, dürfen wir es nicht zulassen, dass weitere Handwerksberufe von der Meisterpflicht freigestellt werden.

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