Änderungsrechte des Bauherren, Gewährleistungsrecht: Im neuen Bauvertragsrecht ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Im Interview mit Marie-Luise Dött, baupolitische Sprecherin der Unionsfraktion, geht es um die Sonder-AfA für den Wohnungsbau und weitere Möglichkeiten, dringend benötigte Neubauten zu schaffen, Kostentreiber am Bau wie die Energieeinsparverordnung (EnEV), das von der EU bedrängte deutsche Meistersystem und das neue Bauvertragsrecht.

Porträt: Marie-Luise Dött, Baupolitische Sprecherin der Unionsfraktion

Es wird unter anderem die Gewährleistungsansprüche gegenüber Handwerkern und Bauunternehmen neu regeln, die unwissentlich fehlerhafte Materialien eingebaut haben. Brisant sind hier auch die sehr weitreichenden Änderungsrechte von Bauherren gegenüber der ursprünglich vereinbarten Planung. Das, so Dött, sollte einer der Prüfpunkte für die anstehenden Beratungen zum Gesetzentwurf sein. Denn: „Grundsätzlich sollten die Vertragspartner ab einem bestimmten Zeitpunkt Klarheit über Inhalt und Umfang des Vertrages haben.“

Thema Wohnraum schaffen

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumplanung braucht Deutschland bis zum Jahr 2030 Jahr für Jahr 230.000 neue Wohnungen. Das ergibt eine Gesamtzahl von mehr als drei Mio. Wie optimistisch sind Sie, dass uns das gelingen wird?

Auf jeden Fall nicht pessimistisch, da für die Politik eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Wohnraum kein hinnehmbarer Zustand wäre. Deutschland hat in den letzten 70 Jahren immer wieder die Herausforderungen am Wohnungsmarkt gemeistert. Das wird auch jetzt gelingen. Aber Bauen braucht seine Zeit. Durch Beschluss allein ist keine einzige Wohnung am nächsten Tag fertig. Im Bündnis für Wohnen hat die Koalition eine Wohnungsbauoffensive erarbeiten lassen, die bei Umsetzung eine sehr ordentliche Steigerung der Wohnungsbauzahlen beim Mietwohnungsbau erwarten lassen kann. Gelingt es zusätzlich, den Eigenheimbau zu stimulieren, sollte die Aufgabenstellung lösbar sein. Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und politische Eitelkeiten hinten anstellen.

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat die Sonder-AfA für den Bau von Mietwohnungen vorerst auf Eis gelegt. War das aus Ihrer Sicht richtig?

Die SPD hat Klärungsbedarf. Wenn das zu einem guten Ergebnis führt, soll sie sich die Zeit nehmen. Die Union steht hinter dem Gesetzentwurf – so wie er ist. Wenn es Änderungsvorschläge gibt, die die Investitionen in den Wohnungsbau stärken, können wir uns dem nähern. Eine Schwächung des geplanten Investitionsanreizes lehnen wir ab.

Die steuerliche Förderung gehört zur angesprochenen Wohnungsbauoffensive, an deren Erarbeitung sich viele beteiligt haben – auch der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaften und die kommunalen Spitzenverbände. Sie sind Teil des Bündnisses gewesen und haben dort dem Gesamtpaket zugestimmt. Deren Kritik am Gesetzentwurf halte ich vor diesem Hintergrund für schwer vereinbar mit deren Engagement im Bündnis für Wohnen.

Wird die Sonder-AfA Ihrer Ansicht nach kommen? Welche Änderungen sind aus Ihrer Sicht wichtig?

Ich gehe davon aus, dass eine Einigung auf der Grundlage des Gesetzentwurfes von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble gefunden wird. Auch die Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks möchte dieses Gesetz. Ihr wird es hoffentlich auch gelingen, ihre Fraktion vom guten Geist des Vorhabens und seiner Richtigkeit zu überzeugen. Wir brauchen Investitionsanreize für private Investoren beim Mietwohnungsbau. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften allein wären mit der anstehenden Aufgabe überfordert. Wenn alle drei Sektoren investieren, werden die Wohnungsbauzahlen deutlich steigen. Mit der deutlich gestärkten Förderung des sozialen Wohnungsbaus wird das auch gelingen.

Gerade in Ballungsräumen sind bezahlbare Wohnungen heißbegehrt. Kritiker hatten zuvor bereits eingewandt, dass die Sonder-AfA auf diesem Feld nur bedingt helfe. Was brauchen wir stattdessen?

Es gibt hier kein „stattdessen“. Wir brauchen einen intelligenten Fördermix, der Investitionsanreize für alle potentiellen Investoren auf dem Wohnungsmarkt bereithält – zinsgünstige Darlehen, Zuschüsse und steuerliche Anreize.

Wohnungssuchend sind nicht nur einkommensschwache Haushalte, die auf sozialen Wohnraum angewiesen sind. Auch Durchschnittsverdiener haben in den Ballungszentren Schwierigkeiten, Wohnraum zu finden, obwohl sie Marktmieten für normalen Wohnraum bezahlen könnten. Im Mittelpunkt der Förderung steht die allgemeine Angebotsausweitung beim Wohnraum. Hier soll die steuerliche Förderung greifen. Dabei geht es nicht um Wohnraum mit überdurchschnittlichem Standard. Dieses Marktsegment braucht keine staatliche Unterstützung.

Was brauchen wir darüber hinaus, um den Bau bezahlbarer Wohnungen anzuschieben?

Es gibt beim Wohnungsbau – ganz unabhängig von der Förderlandschaft – den berühmten „Flaschenhals“ Bauland. Hier müssen die Kommunen dringend aktiv werden und sich um eine Ausweitung der Baulandflächen bemühen.

Es ist richtig, sich zunächst um die Verdichtung bereits bebauter Flächen zu kümmern, jedoch wird das nicht ausreichen. Die für die kommenden vier Jahre anvisierten Wohnungsbauzahlen von 350.000 Wohnungen pro Jahr wird man nicht sämtlich zwischen vorhandene Bebauungen errichten können. Das würde die neuen Nachbarschaften von Beginn an in ein belastetes Verhältnis bringen.

Wir müssen auch andere Flächen für den Wohnungsbau aktivieren. Der Fokus auf die freie Fläche am Stadtrand darf dabei nicht untersagt sein und auch die vielen Industriebrachen sollten an geeigneten Standorten dafür in Betracht gezogen werden.

Darüber hinaus gibt es weitere steuerrechtliche Rahmenbedingungen, die das Bauen im Moment erschweren. Die Preistreiberei der Länder bei der Grunderwerbsteuer sorgt mich dabei besonders. Aber auch die lineare Abschreibung mit derzeit zwei Prozent beim Wohnungsbau scheint korrekturbedürftig. Der Wertanteil technischer Anlagen und deren Verschleiß in neu gebauten Wohnhäusern sind heute viel höher als vor Jahrzehnten.

Thema Kostentreiber EnEV

-> Zitiert: Studie des Verbändebündnisses Wohnungsbau

„Allein die seit 2000 mehrfach vollzogenen Novellierungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) haben bis 2014 einen Kostenanstieg von 6,5 % bei den Bauwerkskosten zur Folge. Mit Inkrafttreten der bereits verabschiedeten nächsten EnEV-Anforderungsstufe ab dem 01. Januar 2016 kommen nochmals 7,3 % Kostensteigerung dazu.“

Niedersachsens Städtetagspräsident Frank Klingebiel hat mit Blick auf den Zustrom hunderttausender Flüchtlinge im Interview mit diesem Magazin ein zweijähriges Aussetzen der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen EnEV-Stufe gefordert. Jetzt sei „pragmatisches Handeln statt Ideologie“ gefordert. Hat er Recht? Und stimmen Sie seiner Forderung zu?

Die EnEV 2016 ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Alle am Bau Beteiligten haben sich darauf seit mindestens zwei Jahren einstellen können. Die Kostensteigerung ist unstreitig vorhanden. Die Diskussion um eine Aussetzung wurde im Herbst intensiv geführt und die Mehrheit der Länderbauminister hat sich an deren Ende nicht für eine Aussetzung ausgesprochen. Gleichzeitig wurden nun die Förderkonditionen für energetisch besonders anspruchsvolle Vorhaben durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau deutlich verbessert. Damit wurde ein Anreiz geschaffen, noch besser zu bauen, als die EnEV es vorschreibt.

Kaum ist die jüngste EnEV-bedingte Baukostensteigerung verkraftet, da kommt schon die nächste Kostenwelle. Ab 2021 sollen nur noch Niedrigstenergie-Neubauten errichtet werden, bei öffentlichen Gebäuden sogar ab 2019. Die EnEV 2017 soll diese EU-Vorgaben erfüllen. Damit stehen neue Kostentreiber am Bau ins Haus. Können wir uns das leisten?

Ich habe viel Sympathie dafür, den nun geltenden EnEV-Standard nicht in absehbarer Zeit bereits erneut anzuheben. Meines Erachtens nach ist der aktuelle Standard auch geeignet, die Grundlage für die europarechtlich vorgeschriebene Definition des Niedrigstenergiegebäudestandards zu sein. Dieser wird durch die Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich beschrieben werden. Hier gibt es seitens der EU keine konkreten Vorgaben. Mit dem neuen EnEV-Standard sollten nun ein paar baupraktische Erfahrungen gesammelt werden, bevor man sich zu neuen Höhenflügen rüstet. Im Mittelpunkt der Entscheidung sollte unser nationales Interesse an bezahlbarem Wohnraum stehen, nicht ein nur marginaler Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu hohen Preisen. Klimaschutz beim Wohnen ist unser Ziel, aber er kann auch zu bezahlbaren Preisen gelingen.

Thema Meisterpflicht:

Seit geraumer Zeit prüft die EU-Kommission „reglementierte“ Berufe in EU-Ländern. Seitdem ist immer wieder die Rede davon, dass das in Deutschland für viele Gewerke verbindliche und bewährte Meistersystem am Ende zur Kann-Bestimmung degradiert werden könnte.

Wie ernst nehmen Sie diese Befürchtungen?

Das Wirken der EU-Kommission muss man immer ernst nehmen, vor allem, wenn sie so hartnäckig wie bei diesem Thema ist. Für die Diskussion mit der EU-Kommission sehe ich Deutschland gut gerüstet, und es ist Aufgabe des Wirtschaftsministers, unser bewährtes Meistersystem in Brüssel erfolgreich zu verteidigen. An politischer Unterstützung aus Berlin wird es ihm da nicht mangeln.

Bundesregierung und Bundestag müssten einen entsprechenden EU-Vorstoß in deutsches Recht umsetzen. Wäre so etwas mit Ihnen als Union zu machen?

Zunächst bleibt abzuwarten, was letztendlich europarechtlich vorgeschrieben wird. Für die Union ist das Meistersystem ein wichtiger Baustein in der deutschen mittelständisch geprägten Wirtschaft, den es zu bewahren gilt. Auch in anderen Bereichen bemüht sich die EU-Kommission um neue Vorgaben und scheitert damit an berechtigten Interessen der Mitgliedsstaaten. Warum sollte das hier nicht der Fall sein?

Thema Bauvertragsrecht

Der Bundestag will das neue Bauvertragsrecht nach der parlamentarischen Sommerpause verabschieden. Was sollte aus Ihrer Sicht noch nachgebessert werden?

Der Gesetzentwurf ist bereits relativ ausgewogen. Sonst hätte er schon innerhalb der Bundesregierung und der dort gelebten Zusammenarbeit in der Koalition keine Zustimmung gefunden. Es gibt seitens des Bauhandwerks und der Bauwirtschaft Kritikpunkte. Diese sind bekannt und werden bei der Parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfes diskutiert werden. Zunächst wollen wir abwarten, was die Experten in der anstehenden Anhörung vortragen werden.

Heftig hatten der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und der Zentralverband des Deutschen Handwerks argumentiert, die Frage der Ein- und Ausbaukosten bei Materialmängeln aus dem großen Entwurf zum Bauvertragsrecht herauszulösen und separat zu behandeln. Das fordert nun auch der Bundesrat. Wie beurteilen Sie dieses Thema?

Die Bundesregierung hat sich entschieden, dem Deutschen Bundestag den Gesetzentwurf als Ganzes vorzulegen. Für eine Trennung gab es innerhalb der Koalition keinen Konsens. Den sehe ich auch nicht für das parlamentarische Verfahren.

Kleinere Bau- und Handwerksbetriebe könnten auf den Ein- und Ausbaukosten beim unwissentlichen Einbau fehlerhafter Materialien sitzen bleiben, wenn Lieferanten dies in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) so festlegen. Wer schützt die Davids vor den Goliaths auf Lieferantenseite?

Meines Wissens hat David gegen Goliath gewonnen – mit Klugheit und Einfallsreichtum. Das deutsche Recht schützt einen Vertragspartner, wenn er durch AGBs unangemessen benachteiligt wird. Der Bundesjustizminister Heiko Maas verneint daher den zusätzlichen Regelungsbedarf. Das werden die Rechtspolitiker ausführlich diskutieren.

Weitreichende Nachforderungen können die weitere Disposition von kleinen und mittelständischen Unternehmen im Baugewerbe und Handwerk durcheinanderbringen und Folgeaufträge gefährden. Sehen auch Sie hier noch Nachbesserungsbedarf am Gesetzentwurf?

Die parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf beginnen erst. Verschiedene Interessengruppen haben bereits ihre Stellungnahmen und Anregungen vorgebracht. Es ist zu früh, um Änderungen anzukündigen. Die Rechtspolitiker der Koalition werden dazu intensive Gespräche führen.

Der Bundesrat will auch das bisher sehr weitreichende Änderungsrecht von Bauherren begrenzen. Wenn nach 30 Tagen keine Einigung zwischen Auftraggeber und -nehmer zustande gekommen ist, soll die Verhandlung als gescheitert betrachtet werden. Wäre dieser Änderungsvorschlag aus Ihrer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung?

Grundsätzlich sollten die Vertragspartner ab einem bestimmten Zeitpunkt Klarheit über Inhalt und Umfang des Vertrages haben. Alle Beteiligten brauchen Planungssicherheit. Das sollte einer der Prüfpunkte für die anstehenden Beratungen zum Gesetzentwurf sein.

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