Christian von Stetten zu den Belastungen für das Baugewerbe

Christian von Stetten ist mittelstandspolitischer Sprecher der CDU / CSU-Fraktion. Seit 2002 ist der CDU-Politiker Mitglied im Deutschen Bundestag. Seit den 90er-Jahren ist er Unternehmer. Im Interview mit dem BVN spricht er über Belastungen für das Baugewerbe.

Christian von Stetten

Thema Bürokratie: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat die Mindestlohndokumentationspflichten wieder gelockert. Reicht Ihnen die  Senkung des Schwellenwertes auf 2.000 Euro im Monat aus?

Man könnte ihn auch auf 1.900 Euro senken! Selbst dann müssen die Leute 48 Stunden in der Woche plus Überstunden zum Mindestlohnsatz leisten, um diesen Wert zu erreichen. Der eigentliche Schwellenwert von 2.958 Euro monatlich impliziert ja, dass jemand 28 Tage im Monat zwölf Stunden täglich arbeiten muss. Das zeigt das ganze Ausmaß der Weltfremdheit, unter der man in diesem Ministerium offenbar leidet.

Wie erleben Sie die Stimmung in den Unternehmen? Ist die Verärgerung über die Dokumentationspflichten berechtigt?

Die Verordnung, die die Ministerin auf den Weg gebracht hat, fand ja ohne Beteiligung des Bundestages statt. Ich bin selber Unternehmer, sie trifft mich deshalb persönlich und ich kenne ihre Auswirkungen! Mein Fazit: Die real-existierende Mindestlohnbürokratie des Nahles-Ministeriums ist eine unzulässige Gängelung der Unternehmen. Dies gilt übrigens auch für die Mini-Jobs, die die  Ministerin am liebsten abschaffen würde. Weil sie das nicht schafft, überfrachtet sie diese Beschäftigungsform dermaßen mit Bürokratie, dass sie den Unternehmen und Mitarbeitern verleidet wird. Im ersten Quartal dieses Jahres sind wegen des Nahles-schen Mindestlohnes fast eine Viertelmillion Minijobs weggefallen. Da sind aber keine Vollzeitjobs draus geworden. Die sind in die Schwarzarbeit gegangen! Ministerin Nahles muss vor dem Hintergrund dieser Zahlen zugeben, dass das der falsche Weg war.

Kleinere Unternehmen tun sich schwer mit der Haftung dafür, dass auch wirklich jeder Subunternehmer den Mindestlohn zahlt. Verstehen Sie diese Befürchtungen, und was kann beziehungsweise sollte noch getan werden, um den Gesetzesrahmen mittelstandsfreundlicher zu machen?

Ob Baugewerbe oder nicht: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ohne Rechtsabteilung können diese Regelung des Arbeitnehmerentsendegesetzes gar nicht überschauen. Dieser pauschale Verweis lässt alle, die Subunternehmer beschäftigen, in der Luft hängen – mit dem Damokles-Schwert unkalkulierbarer Haftungsrisiken über sich. Die Ministerin hat offenbar eingesehen, dass sie hier einen Fehler gemacht hat und zumindest uns gegenüber deutlich gemacht, dass sie das durch ein paar klarstellende Regelungen ändern will. Ob das ausreicht, kann ich erst beurteilen, wenn ich weiß, wie diese neuen Regelungen von Frau Nahles aussehen, wenn sie geliefert hat. Generell sollten unsere Unternehmen sich um neue Kunden und neue Arbeitsplätze kümmern und nicht ständig das Gefühl haben müssen, dass sie mit einem Bein im Gefängnis stehen. Die Subunternehmer-Regelung ist eine unzumutbare Härte für den Mittelstand, der unsere Wirtschaft trägt.

Wie könnte denn eine aus Ihrer Sicht zielführende Regelung aussehen?

Aus unserer Sicht sollte es ausreichen, dass sich ein Unternehmen von einem Subunternehmer vertraglich bestätigen lässt, dass dieser den Mindestlohn zahlt. Die Ministerin ist nun gefordert, einen wirklich praxistauglichen Vorschlag vorzulegen. Irgendwann läuft die Zeit ab.

Was treibt die Arbeitsministerin aus Ihrer Sicht an?

Sie ist von purer Ideologie getrieben. Zudem mangelt es ihr an jedem Verständnis für praktische Abläufe in einem normen Baubetrieb.

Destatis meldete jüngst, dass der Bürokratiekostenindex auf einen Tiefstand gesunken sei. Wie passt das zur Stimmung in den Unternehmen?

Das hat bis letztes Jahr gegolten. Die letzte Regierung hat einiges an Bürokratie abgebaut. Aber allein die Dokumentationspflichten haben alles zunichte gemacht, was in den letzten vier Jahren an Bürokratie abgebaut worden ist. Nun kommt auch die Arbeitsstättenverordnung. Die Unionsfraktion hat hier vieles entschärfen können, aber eben nicht alles! Es wird noch viel Bürokratie auf die Unternehmen zukommen. Zudem beglückt uns Nahles-Kollegin Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig demnächst noch mit einem Entgeltgleichheitsgesetz. Das wird umfassende neue Dokumentationspflichten und neue erhebliche Haftungsrisiken für die Unternehmen bringen.

Laut Sage-Studie fühlen sich neun von zehn mittelständischen Unternehmen hoch beziehungsweise sehr hoch von Bürokratie belastet. Die Bundesregierung hat nun die Bürokratiebremse eingeführt und erntet Kritik vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der meint, die one-in-one-out-Regel helfe einseitig der Wirtschaft. Wie beurteilen Sie das?

Es war richtig, die one-in-one-out-Regel zu beschließen. Allerdings hat die SPD durchgesetzt, dass diese Regel bei allen Punkten nicht angewendet wird, die im Koalitionsvertrag stehen. Diese Ausnahme führt in den kommenden zwei Jahren dazu, dass neue Bürokratie auf die Unternehmen zukommt. Die SPD hat die Bürokratiebremse damit für die kommenden 24 Monate ausgebremst.

Verhält sich die SPD damit mittelstandsfeindlich?

Ja. Nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch in der vorangegangenen, hat die SPD Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, die den Mittelstand in erheblichem Ausmaß zusätzlich belasten.

Thema öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP): Vor dem Hintergrund der neuen Generation ÖPP wird eine Debatte darüber geführt, ob diese Form der Finanzierung öffentlicher Bauvorhaben dem Mittelstand dient. KMU fürchten, hier gegenüber internationalen Konzernen das Nachsehen zu haben. Wie kann sichergestellt werden, dass der Mittelstand etwas vom Kuchen abbekommt?

Das mittelständische Baugewerbe wird sich in Zukunft darauf einstellen müssen, dass ÖPP im Infrastruktursektor kommen wird. Allein durch die öffentlichen Haushalte werden wir die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen nicht bewältigen können. Wir brauchen ÖPP, um das leisten zu können – anders wird es nicht gehen!

Es sollte, so meinte jüngst der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Bauindustrieverbandes, „darüber nachgedacht werden, wie der Mittelstand an ÖPP-Projekten angemessen und zu fairen Vertragsbedingungen beteiligt werden“ könne.

Als Politik können und sollten wir in einer Übergangsphase durch entsprechende Formulierungen von Ausschreibungen dafür sorgen, dass auch unsere mittelständischen Unternehmen bei ÖPP-Projekten zum Zuge kommen. Entsprechende Regelungen werden derzeit erarbeitet. Das mittelständische Baugewerbe ist herzlich eingeladen, sich mit seinen Vorstellungen in diesen Prozess einzubringen. Eins ist für mich aber auch klar: Mittelfristig wird es für das Baugewerbe unvermeidlich sein, neue Strukturen wie zum Beispiel Bieter- und Arbeitsgemeinschaften zu schaffen, um an ÖPP teilzuhaben. Ich bin optimistisch, dass das gelingen wird.

Sie stehen also hinter dem ÖPP-Projekt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt?

Ja! ÖPP wird auch neue Chancen für den Mittelstand im Bauwesen bringen, was die auf Jahre hinaus erforderlichen Instandhaltungsarbeiten angeht. Sowohl im Schul- als auch im Infrastrukturbereich werden dadurch auf lange Jahre Aufträge anfallen.

Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider hat im Gespräch mit diesem Magazin angeführt, dass ÖPP teurer wird als öffentlich vergebene Aufträge, weil die Investoren anders als die Öffentliche Hand Gewinne machen müssten. Was halten Sie dem entgegen?

Diese Argumentation des niedersächsischen Finanzministers ist eine ideologische Haltung. Sie ist davon geprägt, dass alles, was private Unternehmen machen, schlecht ist. Dabei ist längst nachgewiesen, dass die Privatwirtschaft Bauprojekte sehr effizient managen kann und dem Staat da nicht nachsteht – im Gegenteil. Zudem ist in Dobrindts Konzept eine Analyse enthalten, über die stets nachgewiesen werden muss, ob ÖPP im vorliegenden Fall günstiger ist als ein durch den Staat getragenes Projekt.

Thema Mietpreisbremse. Zurzeit haben wir dank historisch niedriger Zinsen eine gute Baukonjunktur. Werden wir bei der Hochbaunachfrage Auswirkungen spüren, wenn sich die Zinsen wieder normalisieren?

Die Mietpreisbremse ist falsch. Und zwar allein schon deshalb, weil sie ein ideologischer Eingriff ins Eigentum ist. Sie ist zudem falsch, weil sie ohne die verbindliche Vorgabe eines verbindlichen Mietpreisspiegels beschlossen worden ist. Das wird zu vielen Rechtsprozessen führen. Und natürlich kann sich die Mietpreisbremse zu einem massiven Investitionshemmnis in der Bestandssanierung auswachsen, wenn sich die Zinsen einmal wieder in eine andere Richtung bewegen. Wir müssen die Mietpreisbremse überdenken. Eine Evaluierung, welche Auswirkungen diese Regelung hat, ist deshalb unbedingt erforderlich.

Welche Auswirkungen wird aus Ihrer Sicht die bevorstehende Neuregelung des Erbschaftssteuerrechts haben?

Sie kann durchaus neue Chancen für die mittelständische Bauwirtschaft bringen.

Wie das?

Nach dem bisherigen Erbschaftsteuerrecht zählen alle gewerblich vermieteten Objekte zu dem Vermögen, das nicht begünstigt ist. Wir fassen den Begriff des begünstigten Vermögens gerade neu, indem wir fragen: Was ist der Hauptzweck eines Unternehmens? Bei Immobilienunternehmen ist dies die gewerbliche Vermietung. Wenn diese Sicht in den Gesetzestext Eingang findet, kann es sein, dass erstmals auch Immobilienunternehmen von begünstigtem Schonvermögen profitieren werden. Das setzt Liquidität frei, und das wiederum wird zu neuen Aufträgen für die Bauwirtschaft führen. Zudem treibt es die Investitionsbereitschaft, wenn Immobilienunternehmen wissen, dass ihre Investition in eine gewerbliche Immobilie auch steuerbegünstigt sein kann.

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